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Simcenter von Siemens:

Umfassende Berechnungen und Optimierungen möglich



Siemens hat mit der NX Version 11 auch seine Berechnungstools neu geordnet und in eine einheitliche Umgebung, Simcenter, eingebracht. Dabei sind auch die Tools der in den letzten Jahren akquirierten Firmen mit einbezogen. Über Details sprach der CAD.de/NL mit Eckhardt Niederauer, Portfolio Development Manager Simcenter 3D bei Siemens PLM Software.

CAD.de/NL: Herr Niederauer, was sind die grundsätzlichen Ziele von Simcenter und was soll diese Umgebung leisten?
Niederauer: Die primäre Motivation für Simcenter war, nach außen zu dokumentieren, dass wir durch die verschiedenen Akquisitionen von Berechnungshäusern heute deutlich mehr an Funktionalitäten anbieten können als früher. Zum anderen wird mit Simcenter verdeutlicht, dass hier eine CAD unabhängige Berechnungsumgebung existiert. Sie kann mit NX gemeinsam eingesetzt werden, muss aber nicht.
Sie wissen ja, dass Siemens PLM Software über die Synchronous-Technologie verfügt. Sie erlaubt es, auf einfache Weise Fremdgeometrien mit einzubinden. Diese Technologie ist auch in Simcenter vorhanden und somit spielt es keine Rolle, wo die Geometrie herkommt.

Wir sprechen jetzt über Simcenter 3D?
Ja, Simcenter 3D ist ein Teil der Gesamtlösung und kann unabhängig von CAD betrieben werden. Das bedeutet, Simcenter 3D bringt den CAD-Teil, den es braucht, selbst mit.

Dann muss es auch einen 3D-Kern geben?
Das ist so, es handelt sich dabei um den Parasolid-Kern, der auch bei NX eingesetzt wird.

Welches Portfolio an Softwarepaketen umfasst Simcenter?
Simcenter beinhaltet Lösungen für die Systems Simulation, für die geometrie-basierte Simulation sowie das physische Testen von Produkten.
In der Systems Simulation wird insbesondere in der Konzeptphase einer Produktentwicklung das Verhalten und die Leistung des Produktes an verschiedenen Konzepten überprüft, um so mit der am besten geeigneten Produktarchitektur in die Detailentwicklung zu gehen.


Simcenter erlaubt in seiner Gesamtheit, die Simulation aller Aspekte der Strukturanalyse, auch bei komplexen Gebilden.

Die Systems Simulation prüft in der weiteren Produktentwicklung, ob die Integration der Teilsysteme zum Gesamtprodukt die Anforderungen erfüllt.
Die geometrie-basierte Simulation nutzt als Input in den meisten Fällen eine CAD-Geometrie. Simuliert werden alle Aspekte der Strukturanalyse, statisch wie dynamisch, linear und nicht linear. Weiterhin alle Fragen zu Schwingungen bis hin zur Akustik von Produkten. Insbesondere durch LMS-Technologien ist Simcenter hier nun sehr stark aufgestellt. Gerade die Möglichkeiten der Mehrkörpersimulation, bis hin zur Simulation in Echtzeit, sind marktführend.
Mit den Lösungen von CD-adapco wird das Spektrum der geometrie-basierten Simulation auf dem Gebiet der Strömungssimulation hervorragend ergänzt. Damit sind die Kunden in der Lage, aus einer Plattform heraus, alle Disziplinen zu simulieren. Hier unterscheidet sich Simcenter erheblich von den Marktbegleitern. Wie für alle Produkte der Siemens PLM Software gilt auch für Simcenter der Imperativ der Offenheit. Simcenter ist in der Lage, die Daten aller gängigen CAD-Systeme zu lesen und unterstützt die Anwendung von gängigen Simulationslösern wie z. B. Abaqus und Ansys.
Simulation ohne Abgleich mit der Realität bleibt weitgehend theoretisch. Mit den Möglichkeiten des physischen Testens von Produkten beinhaltet Simcenter auch diese wichtige Disziplin für eine ganzheitliche Produktentwicklung. Neben dem originären Testen von Prototypen wird hier auch Funktionalität angeboten, die hilft, die Simulation zu verbessern. Simulationsmodelle können mit dem Verhalten des realen Produktes verglichen werden. Und die Modelle lassen sich mit den Testdaten auch verbessern und kalibrieren.

Gibt es Synergien?
Der Aspekt der Synergie zwischen den einzelnen Komponenten von Simcenter ist uns sehr wichtig. Der konzertierte Einsatz der einzelnen Werkzeuge erlaubt neue, bisher nicht mögliche Einblicke. Als Beispiel sei  die Transferpfadanalyse genannt. Mit Hilfe von Testdaten und Simulationsmethoden lässt sich ermitteln, wie ein Geräusch in einem Produkt entsteht und wo angefasst werden muss, um das Geräusch zu beeinflussen.

Das alles ist ohne Service wohl kaum vorstellbar?
Zu Simcenter gehören natürlich auch die Engineering Services, die durch LMS und CD-adapco mit in die Familie gekommen sind. Rund 400 Kollegen stehen weltweit zur Verfügung für das Lösen aktueller Kundenaufgabenstellungen, KnowHow Transfer in der Applikation der Software und Methodenentwicklung für neue High-End Engineeringverfahren.


Eckhardt Niederauer, Portfolio Development Manager Simcenter 3D bei Siemens PLM Software.

Ist in dem Zuge auch etwas mit der Benutzeroberfläche gemacht worden?
Die Benutzeroberfläche von Simcenter ist identisch NX-CAE. Bestehende Anwender müssen somit keine Bedenken haben, eine ganz neue Bedienung erlernen zu müssen.
Auch für die Systemsimulation, die ja eine andere Systembasis benutzt, werden wir die Benutzeroberfläche angleichen.

Wie sieht es auf der Solverseite aus? Gibt es einen Solver, den bisherigen Nastran-Solver, oder gibt es mehrere?
Der NX-Nastran-Solver ist und wird auch weiterhin unser Kern-Solver bleiben. Darüber hinaus haben wir von LMS eine Reihe von weiteren Solvern für spezielle Einsatzgebiete dazubekommen, z. B. einen Akustik-Solver. Wir haben auch einen eigenen Mehrkörpersimulations-Solver durch LMS erhalten. Der hilft uns, auf dem Gebiet der MKS wesentlich mehr anbieten zu können als früher. Ein Kunde dessen ist seit vielen Jahren schon Daimler AG. Die Spezialisten dort gehen mittlerweile soweit, dass sie Echtzeit-Fahrzeugsimulationen mit diesem Solver machen. Echtzeit heißt, es ist möglich zu simulieren, wie sich das Fahrzeug verhält bei bestimmten Beanspruchungen. Das Ganze kann dann auch auf einen realen Simulator übertragen werden, in dem reale Personen Eindrücke vom Fahrverhalten gewinnen können – lange bevor es ein reales Fahrzeug gibt.

Damit erübrigt sich quasi auch die Frage, wer soll es anwenden? Die gleichen Kundengruppen wie vorher eben auch.
Genau so ist es, jedoch sehen wir den Trend hin zu immer häufigerer Nutzung durch Konstrukteure und Entwickler selbst. Was das betrifft, tun wir uns leicht mit der neuen Umgebung, weil wir eben geometrieunabhängig sind. Neben der interaktiven Simulation, wie sie auch ein Berechnungsingenieur anwendet, gibt es  Möglichkeiten mit Templates, Wizzards oder Assistenten die Arbeit der Konstrukteure zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dieser Trend - Berechnung in der Konstruktion – wird dafür sorgen, dass die Anzahl der Anwender stark steigt.


Die Grafik zeigt den Umfang des Simcenter Portfolios.

Wie lange dauert die Ausbildung für Konstrukteure, angeblich haben die doch alle keine Zeit?
Es kommt natürlich darauf an, wie man vorgeht. Will man eine voll interaktive Simulation machen, dann muss man schon wissen, wie man mit Finiten Elementen arbeitet und was man dabei richtig bzw. falsch machen kann. Und das dauert eben seine Zeit. Wenn man allerdings mit Templates und Assistentensystem arbeitet, dann kann die Einarbeitung sehr schnell erfolgen.

Wie läuft die Kopplung von Simulation und Versuch?
Für die Kopplung von Simulation und Versuch gibt es verschiedene Aufgabenstellungen.
Simcenter FE Model Correlation liest Versuchs- und Simulationsergebnisse in ein Vergleichsmodell. Das Adaptieren von Koordinatensystemen und unterschiedliche Modellgrößen übernimmt hier die Software. Damit ist man in der Lage, Ergebnisse aus beiden Disziplinen an der Geometrie zu vergleichen. So findet man die Gebiete mit guter und die mit weniger guter Übereinstimmung. Diese wird man dann detaillierter analysieren.
Mit Simcenter FE Model Updating können bestehende Finite Elemente Modelle aus Basis von Messdaten verbessert werden.
Mit Simcenter Pre-Test können physische Tests durch Simulationen gründlich vorbereitet werden. Damit lassen sich wichtige Fragen zur Vorbereitung des Versuches vorab klären: Wo sind die geeignetsten Stellen für die Einleitung von Energie in die Struktur? Wo werden die Sensoren am besten platziert, damit alle gewünschten Effekte auch gemessen werden können? Und weitere. Damit spart der Versuchsingenieur viel Zeit, und erfolgslose Versuche gehören der Vergangenheit an.

Was meinen Sie mit der „Vision des Predictiv Engineering?
Wenn wir die geometriebasierte Simulation sehen, dann ist das eine Befragung des Modells, wie es sich verhält. Aber eine Vorhersage ist das noch nicht. Vorhersagen erreichen wir dadurch, dass wir über eine Systemsimulation das Gesamtsystem aufbauen, mit seinem umgebenden Kontext, um dann „was – wäre–wenn-Fragen“ zu stellen. Was wäre, wenn wir eine Rippe um 10 mm nach rechts verschieben? Was wäre, wenn wir die Rippe um 5 mm verstärken? Über solche Parameter-Variationen wird die Optimierung einer Struktur erreicht.
An der Stelle hilft uns jetzt gerade eine Technologie von CD-adapco. Das Produkt nennt sich „Heeds“. Damit können solche Optimierungen automatisch durchgeführt werden.
Solcher Aufbau optimaler Strukturen mit Hilfe von Simulation und Optimierung nennen wir Predictive Engineering.


Mit Hilfe von Simcenter sind auch physikalische Tests von Prototypen möglich.

Das kann man sicher auch sehr gut gebrauchen im Bereich der Composites, wo sehr viele Parameter zu variieren sind, um zu einer optimalen Struktur zu kommen?
So ist es. Auch hier findet der Schritt von einer reinen Befragung des Modells, hält es oder hält es nicht, hin zur Gestaltung eines optimalen Aufbaus statt.

Kommen wir noch zum Thema Systemsimulation. Bauen Sie hier die Modelle mit Hilfe von Differenzialgleichungen auf, ähnlich wie Modelica, oder wie gehen Sie vor?
Das ist eine der Möglichkeiten. Es können aber auch Kennfelder sein, die das Modell bestimmen. Stellen Sie sich eine Art Black Box vor, mit Ein- und Ausgangsgrößen eines „Systems“, beispielsweise die eines Ventils. Das Ventil hat einen Volumenstrom und einen Druck als Eingangsgrößen. Und hinter dem Ventil haben wir auch wieder einen Volumenstrom und einen Druck. Somit kann ich über zwei Kennfelder so ein Ventil darstellen – eine einfache Repräsentation eines Ventils. Oder ich beschreibe das Ventil mit Kugel, Feder und Kugelsitz per Differenzialgleichungen und kann dann genauer rechnen. Beides gibt unser System her, eine einfache schnelle Berechnung am Anfang einer Systembetrachtung und später eine genauere Untersuchung.
Diese „Multi-Fidelity-Modelle“ helfen uns auch im Bereich des digitalen Zwillings. Sie erlauben es, dass zu jedem Zeitpunkt der Entwicklung geprüft werden kann, ob und wie die Anforderungen erfüllt werden.

Was verstehen Sie denn unter Digitalem Zwilling?
Der digitale Zwilling umfasst alle Diszipline und Physiken, die für das Produkt relevant sind. Das geht von Mechanik über Elektrik/Elektronik bis hin zu Reglungstechnik, Software im Produkt und Kostenmodellen für das Produkt, die Herstellung und den Betrieb, ganzheitlich eben eben über den gesamten Lebenszyklus des Produktes hinweg.

Wo tut man denn all die Daten hin?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Es ist ganz klar, wenn zehnmal so viel simuliert wird als früher, fallen auch zehnmal so viele Daten an. Wohin damit? Diesbezüglich ist man in der Industrie oft noch am Anfang. Erst wenige Anwender denken über ein Simulationsdaten-Management nach. Und diejenigen unserer Kunden, die jetzt damit beginnen, werden stark motiviert durch das Thema Nachvollziehbarkeit. Das heißt, wie kann man sicherstellen, dass eine bestimmte Bauteilsversion später sicher den dazu gehörenden Berechnungsergebnissen zugeordnet werden kann und der Bearbeiter die Ergebnisse nachvollziehen kann? Genau an der Stelle erwartet man den größten Nutzen vom Simulationsdaten-Management.
Die Herausforderung beim Simulationsdaten-Management ist die Frage, wie es zu machen ist. Die Kunden haben ein CAD-Daten-Management, sie haben ein Prozessdaten-Management und fragen sich, ob sie die Simulationsdaten dort dazu packen oder ob sie dafür eine eigene Insel aufbauen sollen. Macht man das Letztere, dann muss auch überlegt werden, wie die einzelnen Dateninseln verbunden werden können und was das kosten wird.
Eine Standardlösung gibt es heute nicht. Ich bin aber überzeugt, dass ein Simulationsdaten-Management in den nächsten 5 – 10 Jahren kommen wird.


Simcenter deckt ein weites Feld innerhalb der Engineering Prozesskette ab.
Hier unterscheidet sich die Software deutlich von vielen Wettbewerbern.


Kann das alles denn auch ein Mittelständler machen oder bleibt das der Großindustrie vorbehalten?
Es gibt immer mehr Mittelständler, die in diese Richtung gehen. Entscheidend für ein kleineres Unternehmen ist es festzulegen, was zu seinen Kernkompetenzen gehört, was es selbst machen will und was es nach draußen geben kann.
In diesem Sinne treffen immer mehr mittelständische Unternehmen die Entscheidung, „Simulation gehört zu meiner Kernkompetenz“. Man will nicht nur am Ende einer Simulation ein Ergebnis bekommen, sondern auch das, was während des Prozesses an Lerneffekten auftritt, bei sich selbst im Haus haben. Das ist mit der Hauptgrund, warum heute kleine und kleinste Firmen selbst simulieren.

Herr Niederauer, vielen Dank für das Gespräch.

Die Software-Historie

Simcenter ist das Ergebnis von mehr als 50 Jahren Erfahrung und Leidenschaft mit Simulation und Testing. Siemens PLM Software ist aus dem Merger von Unigraphics und SDRC hervorgegangen, das war 2001. Damals hat man die CAD/CAE/CAM-Lösungen beider Firmen in die NeXt-Generation NX zusammengeführt. NX CAE ging somit aus dem Simulationstools von I-deas hervor.

Parallel hierzu hat sich LMS in Belgien von einem anfangs nur testorientierten Hersteller auch in den Simulationssektor weiter entwickelt. Übernahmen der Produkte Sysnoise (Akustik), DADS (Mehrkörpersimulation) und Tecware/Falancs (Betriebsfestigkeit) erweiterten das LMS-Portfolio in den 1990ern. Diese einzelnen Simulationsdisziplinen bekamen Anfangs der 2000er mit LMS Virtual.Lab eine gemeinsame Plattform. Zur gleichen Zeit wurde mit LMS Test.Lab eine Plattform für alle Testdisziplinen geschaffen. Mit der Übernahme von Imagine, mit dem Produkt AMESim aus Lyon, erweiterte LMS die Simulation in Richtung der Systems Simulation und die Produkte wurden und werden als LMS Imagine.Lab vermarktet.

Computational Dynamics und adapco mergen 2001 zu CD-adapco und bringen das neue gemeinsame Produkt Star-CCM+ 2005 an den Markt. In 2013 übernimmt CD-adapco Red Ceddar mit deren HEEDS Software für Process Orchestration und Design of Experiment.

Simcenter umfasst als Dachmarke alle genannten Produkte. Weltweit stehen 400 Ingenieure zur Verfügung, die Kunden in der Lösung ihrer Aufgabenstellungen mit Simcenter unterstützen.

www.siemens.com/plm

- Karl Obermann –
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