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Grenzen überschreiten:

Elektromagnetische Simulationen werden in vielen Bereichen benötigt



Nicht zuletzt durch den Elektromobilbau wird die elektromagnetische Simulation immer wichtiger und dies auch noch im Kontext zur Mechanik. Ein Themenfeld, welches wie prädestiniert ist für die Multiphysiksoftware von Comsol. Nähere Auskünfte dazu geben Dr. Thorsten Koch, Geschäftsführer Comsol Deutschland und Dr. Phillip Oberdorfer, Technical Marketing Manager.

Herr Dr. Koch, gestatten Sie uns zunächst mit dem Unternehmen selbst zu beginnen. Was hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren bei Comsol getan in Deutschland und weltweit?
Dr. Koch
: Zunächst einmal gab es einen Wechsel in der Geschäftsführung. Nachdem ich seit rund eineinhalb Jahren hier stellvertretender Geschäftsführer war, habe ich seit einem halben Jahr die Geschäftsführung allein übernommen.
Unterdessen ist das Unternehmen stetig weiter gewachsen. Wir freuen uns, dass das Interesse an unseren Produkten weiter hoch ist.
Das gilt für uns in Deutschland und Österreich, aber auch für die gesamte Comsol-Gruppe weltweit.

Und die Weiterentwicklung der Produkte?
Natürlich haben sich auch unsere Produkte immer weiter entwickelt. Ein Beispiel kann man vielleicht nennen, das ist unser Comsol Compiler. Er kam vor rund eineinhalb Jahren auf den Markt. Er erlaubt es unseren Kunden, die selbst Simulations-Apps entwickeln, diese systemkonform zu kompilieren Nachdem eine Simulations-App kompiliert wurde, wird „unser System“ nicht mehr benötigt. Die App ist dann ein vollkommen eigenständiges Programm (eine .exe-Datei unter Windows), welche völlig frei nach Wunsch und Bedarf des App-Erstellers verwendet werden darf (verkauft, vermietet, verschenkt). Man benötigt weder eine COMSOL-Lizenz noch die Software, um diese Apps zu starten und damit zu rechnen.


Schalldruckfeld in einem Fahrzeuginnenraum, gelöst mit der Finite-Elemente-Methode
bei 7 kHz unter Verwendung eines spezialisierten Lösers für die Wellenausbreitungsanalyse.


Wenn wir heute das Wettbewerbsumfeld anschauen, wo ordnen Sie sich da selbst ein? Stehen Sie im Markt überhaupt gegen die großen Generalisten?
Unser Geschäft war und ist von Anfang an die Multiphysiksimulation. Darauf konzentrieren wir uns nach wie vor. Schon damals wie heute kennzeichnet sich unsere Software durch einfache Bedienbarkeit, so dass sich unsere Nutzer auf ihre Physik konzentrieren können. Mit unseren Tools zur Erstellung und Bereitstellung eigener Apps gehen wir noch einen Schritt weiter und ermöglichen es den Anwendern, ihr Know How noch breiter nutzbar zu machen.
Also, um ihre Frage direkt zu beantworten, wir sehen uns als führender Anbieter für Multiphysikalische Simulation am Markt.

Zurück zu Comsol Deutschland. Gibt es neben der Zentrale hier in Deutschland noch andere Niederlassungen?
Ja, es gibt noch ein kleines Vertriebsbüro in Berlin, darüber hinaus ist es eben Göttingen. Durch die heute übliche starke Vernetzung ist es aber möglich, alles von hier aus zu bewältigen.

Wie viele Mitarbeiter gibt es hier in Deutschland und weltweit?
In Deutschland aktuell ca. 40 und weltweit sind wir gerade 460 Mitarbeiter.


Die Temperaturverteilung in einem 6s2p-Akkupack am Ende einer 4C-Entladung.

Läuft Ihr Vertrieb direkt und indirekt oder nur über Händler?
Wir gehen nur direkt. In allen Ländern, wo es eine Comsol-Niederlassung gibt, haben wir einen Direktvertrieb etabliert.

Und solche wie der Dr. Wenger?
Wenger Engineering ist eine unserer Partnerfirmen, die Consulting für Comsolprodukte und mit Hilfe von Comsol-Produkten bieten. Die Produkte selbst vertreiben dann aber wir.

In Ulm entstand vor Jahren schon ein Paket für die Auslegung von Starkstromleitungen auf der Basis von Comsol. Wie sieht denn da die vertriebliche Situation aus?
Dr. Oberdorfer: „Wenn unsere Kunden oder Partner Comsol-Apps entwickeln, so können sie diese selbstverständlich gerne selbst vertreiben, wie gesagt. Das ist genau das, was wir mit dem Apps erreichen wollen.“

Als technisches Thema haben wir uns heute die Elektromagnetik vorgenommen, denn die Einsatzgebiete wachsen, Stichwort: E-Autos. Was kann Comsol dazu beitragen?
Wir bemerken selbst den gesteigerten Bedarf nach Simulationssoftware für Lösungen, die für E-Mobilitätsprojekte gebraucht werden. Unsere Software kann für die Modellierung elektromagnetischer Bauteile und Komponenten auf allen Größenskalen eingesetzt werden, da Formulierungen für verschiedene Frequenzbereiche enthalten sind. Also zum Beispiel kann man Comsol einsetzen, um Elektromotoren zu berechnen und zu optimieren. Oder um 5 G Antennen auszulegen und zu verbessern, die ja eine große Rolle spielen, wenn es um autonomes Fahren geht.
Darüber hinaus haben wir Kunden, die unsere Produktpalette für Projekte in den Bereichen Innenraumakustik, Leichtbau, Batterien, Brennstoffzellen, Thermomanagement, Korrosion etc. einsetzten. Letztlich kann man alles simulieren, was durch eine partielle Differenzialgleichung ausgedrückt werden kann.
Also Sie sehen, dass Comsol nahezu in allen Bereichen des Automobilbaus und gerade auch des E-Automobilbaus interessant für unsere Kunden ist.


Die Touchscreen Simulator App wurde mit COMSOL Multiphysics und
dem AC/DC Module erstellt. Indem Sie Apps wie diese erstellen,
können Sie den Entwicklungsprozess von EM-Geräten optimieren.


Wo liegen denn Ihre Schwerpunkte in Bezug auf die Elektromagnetik?
Unsere Schwerpunkte liegen auch im Bereich der Elektromagnetik und E-Mobilität bei zwei Aspekten: Der Verfügbarkeit von Simulation und der Multiphysik.
In den letzten Jahren haben wir uns verstärkt der Frage gewidmet, wie wir die Simulation vom Simulationsexperten zu den anderen Anwendern bringen können, die von Simulation wenig, aber von der Materie umso mehr verstehen. Die Schnittstelle zwischen dem oder der Simulationsingenieur/in und den Entwickler/innen und Designer/innen ist seit jeher ein Bottleneck für effiziente Produktentwicklungen. Wir haben uns gefragt: Muss ein Simulationsmodell eigentlich immer so komplex und schwer bedienbar sein, dass nur der Entwickler des Modelles selbst es nutzen kann? Wäre es nicht viel effizienter, wenn der Konstrukteur selbst Simulationen durchführen könnte? Und die Lösung ist eine Simulations-Application. Vereinfacht ausgedrückt ist eine Application ein Simulationsmodell mit einer neuen, einfach bedienbaren Oberfläche, welche jeder nutzen kann. Und jeder COMSOL-Nutzer kann Applications entwickeln, das ist kinderleicht, und man kann die Applications zu völlig eigenständigen Programmen kompilieren. Das ist absolut einzigartig in der Welt der Simulation.
Aber auch unser multiphysikalischer Ansatz ist in seiner Form nach wie vor absolut einzigartig. Das liegt an der technischen Umsetzung: Die so lösenden numerischen Modellgleichungen mit allen zu berücksichtigten Effekten werden erst direkt vor Beginn des Lösungsprozesses aufgestellt, im Hintergrund und natürlich vollautomatisch. Es entsteht ein einziges algebraisches Gleichungssystem, quasi aus einem Guss - umständliche Subroutinen, die verschiedene Gleichungssysteme für verschiedene physikalische Effekte unter Verlusten verbinden müssen, sind nicht nötig. Dieser Ansatz ist nahtlos und unschlagbar für komplexe multiphysikalische Aufgaben.

Wo kommt der multiphysikalische Ansatz besonders zum Tragen?
Wir sagen, die Welt ist multiphysikalisch. Nur in den wenigsten Fällen reicht es aus,  ein physikalisches Phänomen allein zu betrachten.
Nehmen wir z. B. den Elektromotor. Unter Last werden die Bauteile durch Ohm'sche Verluste erwärmt. Da die elektromagnetischen Materialeigenschaften aber temperaturabhängig sind, ändert sich durch die Erwärmung die Performance des Motors. Ein aussagefähiges virtuelles Modell muss diesen Effekt unbedingt berücksichtigen. Ohne einen multiphysikalischen Ansatz geht das nicht.

Das sieht wohl jeder Ingenieur ein. Gibt es noch andere Effekte, die in diesem Umfeld auftreten?
Ja, die gibt es. Elektromotoren produzieren eine ganz andere Geräuschkulisse als Verbrennungsmotoren und ihre Vibrationen wirken sich ganz anders aus. Gerade im Fahrzeuginnern können die Geräusche von Elektromotoren recht unangenehm klingen. Also arbeiten Autohersteller, wie Zulieferer, daran, das zu verbessern. Um dergleichen zu simulieren, muss man elektromagnetische Felder, mechanische Bewegungen und die resultierenden Schallausbreitungen berücksichtigen. Das ist Multiphysik in Reinform.

Wie sieht es aus mit dem Thema Betriebsfestigkeit - wie lange hält etwas? Kann Ihre Software das auch mitberücksichtigen?
Die Ermüdung von Bauteilen ist ein Teil dessen, was unsere Software voraussagen kann.

Machen Sie dann auch Materialuntersuchungen, Materialkarten anlegen, Kalibrierungen bezüglich realer und virtueller Ergebnisse?
Dr. Oberdorfer: Wir haben eine Materialdatenbank, welche genutzt werden kann.
Individuelle Materialuntersuchungen und -qualifizierungen machen wir aber nicht. Das machen ggf. Partnerunternehmen oder die Kunden selbst. Die Ergebnisse können natürlich bei uns im System angelegt werden.


Ein Induktionsmotor wird mit dem AC/DC Module und dem
Multibody Dynamics Module modelliert, um elektromechanische Effekte
zu berücksichtigen. Die von Mises Spannungsverteilung im Gehäuse ist dargestellt.


Knackpunkt Batteriesimulation, da dürfte es ja wohl auch eine starke Nachfrage nach Simulation geben?
Auch hier können wir in der Tat eine wachsende Nachfrage verzeichnen. Der Akku ist das Herz eines Elektrofahrzeugs und unsere Kunden arbeiten z. B. an alternativen Zellchemien wie Lithium-Schwefel (Vorreiter auf dem Gebiet: Oxis Energy) oder neuen Ansätzen wie Festkörperakkus, um die Reichweiten immer weiter zu erhöhen.
Doch oft drehen sich die Fragen um die etablierte Lithium-Ionen-Technik; so haben Forscher von Murata aus Japan (einer der weltweit größten Hersteller elektronischer Bauteile) durch Multiphysik-Simulation unlängst herausgefunden, dass das Wiederaufladen von Li-Io-Akkus in Form von ganz bestimmten Pulsmustern die Lebenszeit mehr als verdreifachen kann, weil dadurch das Wachstum schädlicher elektrochemischer Ablagerungen an den Elektroden verhindert wird.
Wieder andere beschäftigen sich intensiv mit dem Thermomanagement der Akkupacks, da sie wissen, dass die Performance von Akkus stark von der gleichmäßigen Beanspruchung abhängt und dies durch eine über die Zelle möglichst gleichmäßige Temperaturverteilung erreicht werden kann.
Wichtig ist, dass eine Simulationssoftware sowohl in der Lage ist, die detaillierte Elektrochemie in den Zellen zu modellieren als auch Zellen (z. B. als Blackbox-Modelle) schnell und effizient in eine Systemsimulation einbinden kann.

Sehen Sie, dass das Thema Mechatronik durch eine übergreifende Simulation gestärkt wird?
Die Mechatronik ist per se interdisziplinär und Mechatronik-Simulationen sind daher natürlich auf übergreifende Ansätze angewiesen. Es gibt ja umfassende Systemsimulationstools, mit denen sich ganze Anlagen abbilden lassen. Unser Beitrag für Mechatronik liegt etwas mehr im Detail; große Systemsimulationen können gewöhnlich komplexe Wechselwirkungen zwischen z. B. Elektromagnetik, Strömungen und Festkörpern nicht korrekt abbilden, wie sie beispielsweise in magnetischen Durchflussmessern  vorkommen. Ein Multiphysik-Modell kann aber sehr genau vorhersagen, wie sich der Durchflussmesser unter welchen Bedingungen verhält, und diese Informationen können in größere Systemmodelle einfließen oder für digitale Zwillinge genutzt werden. Ein Stichwort dazu ist die Model Order Reduction, ein Bereich, in dem wir uns ebenfalls stark weiterentwickeln.

Hört, hört
Dr. Oberdorfer: Ja ohne solche modernen Methoden wird man wohl nicht weiterkommen.


Dr. Thorsten Koch, Geschäftsführer Comsol Deutschland. Alle Bilder: Comsol

Zum Schluss noch ein Blick auf die Hardware. Reichen die meisten PCs aus?
Für einen großen Teil der typischen Simulationsanwendungen reichen heutige Desktop-PCs aus. Es gibt zwei Dinge, die die Kapazitäten sprengen können: Sehr große Modelle und sehr umfangreiche Studien. Sehr große Modelle zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie einen hohen Speicherbedarf haben, welcher vom Desktop-PC nicht gedeckt werden kann. Sehr umfangreiche Studien, z. B. in Form von Parameterstudien, können viele einzelne Rechendurchläufe benötigen und einen Rechner für lange Zeit blockieren. In solchen Fällen kann sich das Auslagern der Berechnung auf eine Cluster- oder Cloudumgebung lohnen.
Für die Kosten einer anwenderfreundlichen Simulationssoftware sollte es dabei keine Rolle spielen, auf wie vielen Knoten und Kernen eines Clusters zugegriffen werden muss, um ein großes Modell oder eine umfangreiche Studie zu berechnen - ansonsten müssen die Kosten für die Software noch auf die Kosten für den Cluster aufgeschlagen werden, was schnell das Budget sprengen kann. Wir sind sehr stolz darauf, dass Sie mit einer einzigen COMSOL Netzwerklizenz so viele Cluster-Nodes nutzen können, wie Sie möchten - Sie zahlen keinen Aufpreis für mehr Rechenleistung.

Herr Dr. Koch, Herr Dr. Oberdorfer, vielen Dank für das Gespräch

www.comsol.de

- Karl Obermann -
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