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IndustrialPhysics von Machineering:

Der schnelle Weg zur Anlagensimulation und zum Digitalen Zwilling



Die Machineering GmbH & Co. KG München hat mit Industrialphysics eine schnelle Möglichkeit geschaffen, zu kompletten Simulationsmodellen zu kommen und Maschinen und Anlagen in Echtzeit zu simulieren. Das Simulationsmodell wird am Ende zum Digitalen Zwilling. Über Details sprach der CAD.de/NL mit Dr. Georg Wünsch, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens.

Herr Dr. Wünsch, was unterscheidet eine physikbasierte Simulation von einer anderen. Was sind die wesentlichen Vorteile?
Dr. Wünsch: Die Physik erlaubt es mir bestimmte Bauteileigenschaften implizit darzustellen. Ein Beispiel: Ein Bauteil liegt auf dem Tisch und dort wird es von einer Roboterhand getrieben, und am Ende fällt es vom Tisch herunter. Um dieses Szenario aufzubauen brauche ich hier keine Modellbildung, sondern es passiert einfach durch den Physikkern des Systems.

Dadurch besteht der Vorteil, dass die Arbeit des Fabrikplaners einfacher und schneller wird. Zum Beispiel, wenn es zwei Förderbänder gibt, muss ich keine Vorgänger-/Nachfolger-Beziehungen einfügen, sondern lediglich die Förderbänder konstruieren. Durch die Antriebe entsteht sozusagen eine bewegte Oberfläche. Das Teil, welches darauf liegt, bewegt sich und fällt am Ende in eine Kiste oder auf ein anderes Förderband. Somit muss der Bearbeiter keine explizite Verkettung aufbauen, sondern das übernimmt der Physikkern des Systems.


Reales und virtuelles Bild einer Anlage.

Und der Physikkern enthält alle Gesetze, die man braucht, um die Natur  exakt abzubilden?
Natürlich haben wir immer eine gewisse Näherung an die Wirklichkeit. Hier bei Industrialphysics haben wir eine Echtzeitsimulation, d. h. wir wollen die Maschine in Echtzeit darstellen. Darum müssen wir mindestens so schnell wie die Echtzeit rechnen. Manchmal wünschen sich die Kunden auch noch ein wenig mehr, d. h. wir rechnen schneller als die Echtzeit, um noch eine gewisse Zeit in die Zukunft schauen zu können. Das erfordert gelegentlich Kompromisse bei der Genauigkeit der Darstellung, damit man das rein rechnerisch noch schafft.

Bei anderen / älteren Systemen war der Materialfluss eben explizit abzubilden?
So ist es. Es ist dort schwieriger, den Materialfluss abzubilden. Nehmen wir wiederum ein Teil auf einem Förderband. Es bewegt sich mit der Geschwindigkeit des Bandes. Nun soll es von einem Roboter gegriffen werden. Dazu ist bei anderen Systemen eine aufwendige Logik zu erstellen, die das bewirkt. Also, wenn der Greifer die Position des Produkts erreicht hat, dann wechselt dieses sozusagen den "Besitzer" vom Band zur Roboterhand.

Bei uns ist das einfacher lösbar, weil sich das Produkt implizit auf dem Band bewegt und wenn der Greifer an der richtigen Stelle ist, wird über "Kollision" der Kontakt berechnet und der Greifer pickt es vom Band. Dafür braucht man die Modelle und die Rechenleistung im Hintergrund, aber beim Aufbau des Anwendungsmodells spart man viel Aufwand.

Wenn man nun ein physikbasiertes Simulationssystem hat, muss es mit den notwendigen Anwendungskomponenten verbunden werden. Zunächst zur Mechanik, Sie nehmen die "Teile" direkt aus dem CAD-System?
Ja, da gibt es bei uns ein Plug-In in verschiedene CAD-Systeme, beispielsweise Creo, oder Solidworks oder Solid Edge etc. Das funktioniert sehr gut, eben auch wieder wegen der physikalischen Basis. Da man die Logik des Materialflusses nicht modellieren muss, sind die Originalgeometrien verwendbar.


Das Simulationsmodell, entspricht dem realen Modell weitgehend.

Und die müssen Sie nicht vereinfachen?
Je nachdem wie komplex die Geometrien sind, vereinfachen wir schon. Bei Detailsimulationen, wo es auf Features ankommt, wird natürlich nichts vereinfacht. Bei schnellen Simulationen hingegen, bei großen Anlagen oder bei sehr schnellen Bewegungen vereinfachen wir die Geometrie stark und bauen ein realistisches Materialflussmodell. Das ist der Schlüssel für den Erfolg, dass man das Materialflussmodell so hinbekommt, dass es schnell genug simuliert werden kann, aber eben noch realistisch.

Triangularisieren Sie die Ausgangsgeometrie?
Im ersten Schritt schon. Dann müssen wir die Dreiecke auf Kollision testen, für jede Kollision entsteht ein Kontakt und der Kontakt muss ausgewertet werden. Das kann zu sehr hohen Rechnenaufwänden führen. Darum wird sehr viel mit starken Vereinfachungen gearbeitet. Wenn ich z. B. eine Palette habe, dann wird sie halt ein Quader. Da haben wir in unserem Werkzeug viele Möglichkeiten, damit einfach umzugehen, je nachdem, was der Anwender vorhat.

Hat man die Mechanik, muss man die Steuerung anschließen, entweder als virtuelles Modell, falls vorhanden oder als Hardware in the loop (HIL).
Genau. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine Simulation braucht immer eine interne Logik, die es erlaubt, Maschinenteile auch ohne Steuerung zu bewegen. Hierzu braucht man natürlich Antriebsmodelle und Sensorik-Modelle, die sich entsprechend verhalten und eine Logik, die alles verkettet. Für Letzteres gibt es wiederum verschiedene Möglichkeiten, z. B. ein Structure Text ähnliche Script-Sprache oder auch ein Roboter-Modul, das es erlaubt, die Teile schon mal zu bewegen.
Daneben gibt es noch eine Sequenz-Steuerung, die sehr gut für Mechaniker / Konstrukteure geeignet ist, weil die ein Weg/Zeit-Diagramm nutzt, um Bewegungen abhängig voneinander aufzubauen. Das ist recht interessant für einen Konstrukteur, alle Bewegungen hintereinander zu sehen und dies dann auch als Dokumentation zu nutzen. Diese Art der Darstellung ist wie gewohnt lesbar und hilft bei der Optimierung der einzelnen Antriebe.

Und wird das dann wieder in Software umgesetzt?
Ja, das sind die internen Dinge und darüber hinaus gibt es externe Möglichkeiten, z. B. Steuerungen von Schneider Electric, Bosch Rexroth, und vielen mehr anzuschließen.
Das sind die Zielsysteme für den Maschinenbauer, auf denen möchte er seine Software implementieren.
Wenn er sie aber vor der echten Inbetriebnahme testen will, muss er entweder eine echte "SPS" in das Simulationssystem einbringen, wir sprechen eben von Hardware in the Loop oder er setzt auf eine virtualisierte Steuerung.
Die echte Steuerung liefert die exaktesten Ergebnisse. Sie haben ja nicht nur die SPS selbst, sondern auch noch ein HMI oder ein Leitsystem, welches daneben oder oben drüber arbeitet. Insofern ist für einen richtig guten Test die reale Steuerungshardware die beste Möglichkeit.
Dann müssen wir den Feldbus nachbilden, d. h. wir müssen so tun, als wären wir Profinet-Teilnehmer oder Ethernet IP-Teilnehmer. Dazu haben wir einen Feldbus-Emulator gebaut. Wir nennen ihn die "Fieldbox 1". Die Hardware-Konfiguration wird nun aus der Projektierumgebung herausgeladen und in diese Box übersetzt. Die tut dann so als wäre sie alle Feldbusteilnehmer.


Grafische Darstellung eines Digitalen Zwillings einer Anlage.

Wo im System sitzt die Feldbox 1?
Sie sitzt zwischen Steuerung und Simulation. Das Simulationsmodell ist nach wie vor  das Leichtgewichtige auf Windows- bzw. PC-Ebene und kommuniziert mit der Box.
Das macht es möglich, auch mit der Windows-Echtzeit von 1 ms wunderbar Maschinen simulieren zu können. Denn die Hardware-Echtzeit, die noch ein bis zwei Größenordnungen darunter liegt, wird ja von der Fieldbox mit dem Echtzeit-Betriebssystem abgedeckt.

Wenn ich das alles habe, kann ich simulieren....
...und wenn Sie doch die virtuelle SPS eingebaut haben, können Sie die gesamte Simulationsumgebung auf einem Laptop sogar mitnehmen.

Somit können verschiedene Szenarien simuliert und die Anlage optimiert werden.
Ja.

Stimmt am Ende alles, kann das Simulationsmodell als der berühmte Digitale Zwilling weiter verwendet werden?
Genau der Digital Twin ist in aller Munde und es gibt scheinbar so viele Definitionen wie Ingenieure in dem Umfeld. Aber der Digitale Zwilling hilft in der Tat auch nach der Inbetriebnahme, z. B. wenn es im Betrieb ein Problem gibt, dieses in der virtuellen Umgebung nachzustellen und eine Lösung zu finden. Der Servicetechniker kann dann z. B. bereits mit der fertigen Lösung zum Kunden fahren und muss dort nicht erst mit der Fehlersuche beginnen.
Eine andere Anwendung wäre eine 3D-Virtualisierung der Anlage im laufenden Betrieb, mit einigen Vorteilen für das Betreuungspersonal.

Hier kommt jetzt Ihre zweite Box ins Spiel...
...die "Digital Twin Box". Diese kommt in den Schaltschrank der Maschine oder Anlage und kann diese visualisieren und dient dazu, sämtliche Terminals mit 3D-Daten zu versorgen. Dafür haben wir dann eine spezielle Technik, dass man die Ergebnisse mit einem Web-Browser oder mit einem Client anzeigen kann. Das ist erst einmal ein reines Visualisierungsthema. Man kann aber die Einrichtung auch als Look-in benutzen, um z. B. Fernwartung durchzuführen- bevor man einen langen Flug auf einen anderen Kontinent antritt.
Darüber hinaus gibt es weitere Möglichkeiten, dass der Digitale Twin noch Zusatzaufgaben übernimmt, z. B. Abläufe vorausrechnet. Dass kann z. B. ein Stau sein, der sich bilden wird und so erkannt wird. Dann gibt es die Möglichkeit, dass man Kollisionen zur Laufzeit erkennt und darauf rechtzeitig reagiert, beispielsweise durch Stillsetzung eines Roboters bevor ein Crash passiert. Das sind innovative Funktionen, an denen wir gerade mit verschiedenen Kunden arbeiten.

Tolle Sache!
An der Stelle erwarte ich viel vom Digitalen Zwilling für die Zukunft. Es könnte sogar sein, dass dieser im Zusammenhang mit einem Mess-System eigene Programme entwickelt. Das ist aber Zukunftsmusik.


Dr. Georg Wünsch, Gründer und Geschäftsführer von Machineering.

So, das Ganze macht man, damit es schneller geht. Geht es dann schneller, der Weg von der Anlagenkonstruktion bis zur Inbetriebnahme? Was sagen die bisherigen Erfahrungen?
Ich denke, dass der Projektdruck irgendwann so groß sein wird, dass man die einzelnen Schritte einer Anlagenrealisierung nicht mehr nacheinander macht sondern parallel. So z. B. die Anlage anhand des virtuellen Modells schon mal programmiert, während die Einzelteile gefertigt werden.
Was man konkret an Zeit spart, hängt sicher vom Einzelfall ab. Wir haben einen Kunden in der Automobilindustrie der sagt, von der Beauftragung bis zur Inbetriebnahme einer Anlage hat er früher 9 Monate gebraucht, jetzt nur noch 7 Monate. Also 2 Monate spart er ein.
Aber ich denke, wir dürfen das was wir hier tun, nicht als Kostensenkungsthema allein sehen. Ich persönlich sehe viel mehr die Qualitätssteigerung im Vordergrund. Die Qualität einer Anlage, die auf diese Weise getestet und optimiert wurde, ist einfach höher als früher. Das hat u. a. wiederum den Effekt geringerer Nachlaufkosten.

Herr Dr. Wünsch, vielen Dank für das Gespräch.

Über Machineering
Gegründet wurde die machineering GmbH & Co. KG als Spin-off aus dem Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften an der Technischen Universität München. Seit 2009 entwickelt das Münchner Unternehmen innovative Softwarelösungen für die Echtzeit-Materialfluss- und Robotersimulation. Das Expertenteam rund um Dr. Georg Wünsch berät Unternehmen zu Themen wie Visualisierung und Simulation. Von der Entwicklung über den Vertrieb bis hin zur virtuellen Inbetriebnahme ist m
achineering der Experte auf dem Gebiet der Simulation und Automation. Die im Hause entwickelte Simulationslösung "industrialPhysics" bietet Unternehmen bereits mit Beginn der Planung einen Überblick über Kosten, Materialfluss und Leistung einer Anlage. Die von den machineering-Ingenieuren entwickelten 3D-Simulationslösungen sind derzeit bei führenden Anlagen- und Maschinenbauern sowie Produktionsunternehmen verschiedener Branchen erfolgreich im Einsatz.

www.machineering.de

- Karl Obermann -
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