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Siemens PLM Software investiert in Automotive-Tools



Siemens PLM Software hat kürzlich das Münchner Unternehmen COMSA übernommen, um sich im Bereich Bordnetz-Design zu verstärken. COMSA ist insbesondere im deutschen Markt sehr stark, wo auch Siemens mit seinen anderen Tools sehr gut vertreten ist (NX, Teamcenter, etc.). Über Details sprach der CAD.de/NL mit Sven Neeser, Produce Domain Leader Integrated Electrical Systems bei Mentor Graphics, ebenfalls zu Siemens PLM Software gehörig.

CAD.de NL: Herr Neeser, was will Siemens mit COMSA, wir dachten im Bereich Mentor Graphics sei alles Diesbezügliche vorhanden?
Neeser: Das ist auch nicht ganz falsch, jedoch ist die COMSA hauptsächlich auf dem deutschen Markt etabliert. Also sind die großen Automobilhersteller und deren Zulieferer Kunden bei COMSA. Im Gegensatz dazu ist Mentor global orientiert, im angesprochenen Segment aber nicht so stark in Deutschland verbreitet.
Das ergänzt sich also prima und die Geschäfte der COMSA werden in die „Integrated Electrical Systems“-Abteilung integriert, eine Siemens-Abteilung, in der auch Mentor angesiedelt ist. Der Sitz von COMSA bleibt weiterhin in München.

Wird sich das Produktspektrum ändern?
Es bestehen derzeit keine Absichten das Produktportfolio der COMSA anzupassen. Es gibt aber sicher Möglichkeiten, die Produkte der COMSA um Bausteine von Mentor zu erweitern bzw. Schnittstellen dahin zu schaffen. Dazu gibt es derzeit Workshops und Analysen, um genau das festzustellen.


Verkabelter Motorraum eines Fahrzeugs. In manchen Autos sind
insgesamt mehrere tausend Meter an Kabeln verbaut.


Sicher ist das Produktspektrum von Mentor insgesamt breiter.
So ist es. Es gibt sowohl Tools, die in der Abfolge vor dem Kabelbaumdesign eingesetzt werden können, als auch im Anschluss daran.
Durch die sinnvolle Verknüpfung beider Produktportfolios wird sicher ein Mehrwert für die Kunden entstehen.

Welche Marktbereiche will Siemens mit diesen Tools nun angehen? Nach dem gesagten darf man annehmen, vornehmlich Kunden im D-A-CH-Bereich?
Es sind im Wesentlichen die großen Automobilhersteller und deren Bordnetzlieferanten in Deutschland. Dies komplementiert Siemens‘ führende globale Marktposition in der Automobilindustrie in diesem Bereich.

Da ist ja Siemens ohnehin schon mit CAD oder PDM/PLM oder beidem vertreten.
Ja, darin sieht man auch einen Mehrwert, dass man die bestehenden Produktbausteine miteinander verknüpft und am Ende eine bessere gesamtheitliche Lösung anbietet als heute.


Legen eines Kabelbaums in der Produktion.

Spielt der Flugzeugmarkt noch eine Rolle?
Für die Produkte von COMSA im Moment nicht. Aber Mentor ist auch stark im Aerospace- und Defense-Bereich tätig.

Was hat das Portfolio von COMSA, LDorado, zu bieten?
Grundsätzlich ist LDorado ein Produkt für die Leitungssatzentwicklung. „LDorado Design“ ist in dem Sinne das Hauptprodukt. Es gibt dann noch Zusatzmodule, die aber eine geringere Bedeutung haben.
Das besondere an der Software ist, dass sie auf Standards basiert, die von den deutschen Automobilherstellern und deren Bordnetzlieferanten gemeinsam entwickelt wurden. Das ist im Wesentlichen der "KBL Standard". KBL steht für Kabelbaumliste.

Ist KBL auch international anerkannt?
Es ist ein Standard, der sich in Deutschland hauptsächlich etabliert hat, sowohl bei den OEMs wie auch bei deren Zulieferern. Es ist das Datenaustauschformat, auf das sich die COMSA spezialisiert hat.

Man muss zunächst einmal einen Schaltplan machen...
... ja und mit KBL werden die Daten dann weitergegeben ins „LDorado Design“ hinein. Und später dann in Richtung der Leitungssatzfertigung.
Mittlerweile gibt es einen neuen Standard, VEC, „Vehicle Electrical Container". Ein Standard, der gegenüber KBL erweitert wurde, um noch mehr Details berücksichtigen zu können. Dieser neue Standard basiert auf ISO 10303-212 und wird speziell vom VDA unterstützt und kann als "die Zukunft" angesehen werden.

Wird dieser neue Standard schon von den Automobilherstellern eingesetzt?
Der wird schon eingesetzt und wird sicher immer stärker aufkommen.

Zurück zum Produktportfolio von COMSA.
In der LDorado Design Software gibt es zunächst eine 2D Leitungsstrangkonstruktion inklusive einer Validierung. Dabei werden Vorgaben automatisiert geprüft. Sodann erfolgt eine Report-Erzeugung für die nächste Bearbeitungsstufe. Dieses ist gerade hier in Deutschland sehr wichtig, weil es einen großen Anteil KSK-Geschäft gibt. KSK heist Kundenspezifischer Kabelsatz, der je nach Fahrzeug-Konfiguration erstellt wird. Das Ziel dabei ist u. a. Material- und Zeiteinsparung. Das heißt, es werden in dem Leitungssatz nur die Komponenten verbaut, die auch wirklich im Endfahrzeug benötigt werden.
Ein weiterer Softwarebaustein von COMSA dient der Erstellung der Elektrologik in Form eines Schaltplans. Die Entwicklungswerkzeuge arbeiten unabhängig von einem PDM-System und kommunizieren über das besagte KBL Datenaustauschformat.


Aufbau eines 2D-Plans in LDorado.

Braucht man um dieses alles zu betreiben spezielle Workstations, oder kann man die Software auf Standard-Hardware laufen lassen?
Das hängt davon ab, wie groß die Designs beim Kunden sind. Neben der reinen Prozessorleistung spielt die Speichergröße eine Rolle. Man bekommt aber für relativ wenig Geld heute hohe Hardware-Leistungen, so dass dieses Thema keine Hauptrolle mehr spielen dürfte.

Anderes Thema, gibt es denn schon eine Schnittstelle von LDorado zu NX?
Eine Schnittstelle zu NX ist im Moment noch nicht vorhanden. Es funktioniert schon mit den Mentor-Produkten, da ist man schon recht weit.

Beim Studieren der Homepage von COMSA schien es so, als ob das System über eine Art eigenes PDM-System verfügen würde. Wird das denn bleiben oder wird alles auf Teamcenter umgestellt?
LDorado funktioniert in der Tat ohne eigenes PDM-System. Jedoch kann es optional mit der sich derzeit in der Entwicklung befindlichen Lösung „LDorado 4 Teamwork“ genutzt werden. Zudem könnten die Programmbausteine von COMSA optional auch in andere PDM-Systeme integriert werden, hierzu gibt es jedoch noch keine Festlegungen.

Über das Thema Simulation haben wir nun noch gar nicht gesprochen. Gibt es denn Simulationstools im LDorado-Umfeld?
Im LDorado ist eine gute Leitungssatz-Navigation vorhanden, die das Auffinden von Bauteilen in der Zeichnung oder die Analyse von Parametern von Komponenten erleichtert. Es gibt Validierungs- und Report-Möglichkeiten, aber eine Simulationsmöglichkeit ist im Moment nicht vorhanden. Gleichwohl gibt es solches bereits im Mentor Capital-Portfolio was Möglichkeiten für Synergien eröffnet. Für nähere Angaben ist es jedoch einfach noch zu früh. Darüber zu sprechen wäre Spekulation...

Welchen Status hat das Projekt heute?
Die Akquisition befindet sich in einer frühen Phase der Integration. Im Moment arbeitet man mit allen Abteilungen wie Entwicklung, Controlling, Sales usw., um die Vorgänge zu verstehen, um dann das "Geschäft" gesamtheitlich zu integrieren.

Gibt es schon nennbare Ziele für die nächste Zeit?
Das wichtigste für uns ist es, dass das bestehende Geschäft nicht negativ beeinflusst wird. Unsere Absicht ist es stattdessen unseren Kunden einen Mehrwert in Form der Erweiterung der Produktpalette zu bieten.


Sven Neeser, Produce Domain Leader Integrated Electrical Systems bei Mentor Graphics.

Existiert eine Zeitvorstellung dafür?
Noch nicht.

Herr Neeser, vielen Dank für das Gespräch.

Über Siemens
Die Siemens AG (Berlin und München) ist ein führender internationaler Technologiekonzern, der seit mehr als 170 Jahren für technische Leistungsfähigkeit, Innovation, Qualität, Zuverlässigkeit und Internationalität steht. Das Unternehmen ist weltweit aktiv, und zwar schwerpunktmäßig auf den Gebieten Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung. Siemens ist einer der größten Hersteller energieeffizienter ressourcenschonender Technologien. Das Unternehmen ist außerdem einer der führenden Anbieter effizienter Stromerzeugungs- und Stromübertragungslösungen, Pionier bei Infrastrukturlösungen sowie bei Automatisierungs-, Antriebs- und Softwarelösungen für die Industrie. Darüber hinaus ist das Unternehmen mit seiner börsennotierten Tochtergesellschaft Siemens Healthineers AG ein führender Anbieter bildgebender medizinischer Geräte wie Computertomographen und Magnetresonanztomographen sowie in der Labordiagnostik und klinischer IT. Im Geschäftsjahr 2018, das am 30. September 2018 endete, erzielte Siemens einen Umsatz von 83,0 Milliarden Euro.

www.siemens.com
www.mentor.com
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