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E-CAD-System erheblich ausgebaut:

Engineering Base 2019 geht voran



Mit der neuesten Version von Engineering Base 2019, welche auf der Aachema in Frankfurt erstmals vorgestellt wurde, hat die Aucotec AG, Hannover, seine CAE-Plattform stark in Richtung Prozess Engineering (Anlagenbau)erweitert. Über Details dazu sprach der CAD.de/NL mit Reinhard Knapp, Leiter des Bereichs, Global Strategies, bei  Aucotec.

CAD.de/NL: Herr Knapp, es hat geheißen, Engineering Base hat in der Version 2019 den größten Entwicklungsschritt gemacht, seit der Einführung vor ca. 15 Jahren. Unter andrem gibt es eine erweiterte Datenstruktur. Was darf man sich darunter vorstellen?
Knapp: Engineering Base (EB) ist ja ein kooperatives System. Eine Plattform, auf der verschiedene Disziplinen arbeiten. Wenn eine neue hinzukommt, ergibt sich auch eine Erweiterung der Datenstruktur. Die Modellstruktur wird erweitert und es gibt neue Objekte.


Die Grafik zeigt den Umfang von EB Plant.

Nochmals zurück zum kooperativen System. Bei EB können verschiedene Leute unterschiedlicher Disziplinen zugleich an der Datenstruktur arbeiten. Das ist grundsätzlich etwas anderes als bei der klassischen Vorgehensweise, bei der immer erst ein Arbeitsschritt abgeschlossen sein muss, bevor ein anderer beginnen kann.
Was wir indessen machen, ist ein agiles Engineering. Man wartet also nicht bis der Vorgänger fertig ist, sondern beginnt parallel. Durch den enormen Zeitdruck, der heute herrscht, ist dieses Vorgehen in der Praxis längst gegeben, nur mit herkömmlichen Methoden höchst fehleranfällig und aufwändig.

Dabei muss man aber gut aufpassen, dass man sich nicht verläuft und aneinander vorbei arbeitet.
Ja, Parallelität, simultanes Arbeiten bedeutet einen viel höheren Anspruch daran zu wissen, was passiert denn mit den Daten. Ist alles noch so wie gestern oder ist inzwischen etwas passiert, worauf ich reagieren muss? Das agile Arbeiten heißt, auf eine Änderung kann ich gleich reagieren, oder gar nicht, je nach dem, was der andere geändert hat.
Diesbezüglich haben wir schon vor Jahren begonnen, entsprechende Leistungen in EB zu realisieren. Zum Beispiel die Möglichkeit, durch einen "Snapshot" jederzeit ein aktuelles Datenabbild zu erhalten und entsprechende Vergleiche anzustellen.
Damit Bearbeiter auf einen Blick sehen, wer wann etwas geändert hat, haben wir in der Version 2019 zusätzlich eine History-Funktion implementiert. Wenn ich die für ein Projekt aktiviere, führt EB für jedes einzelne Objekt eine Änderungsliste mit. In Kombination mit dem erwähnten Snapshot, hat man einen kompletten Überblick über die Änderungssituation. Der gesamte Arbeitsablauf ist somit systemunterstützt und hilft jedem Bearbeiter zu verstehen, was vorgeht - eine ganz wesentliche Erweiterung, wie wir meinen.

Weitere Erweiterungen?
Wir haben u. a. stark an der Bedienoberfläche gearbeitet. Zum Beispiel möchte ich  eine Verbesserung der Planbearbeitung herausgreifen. Bisher musste man dazu mit der „Tree“-Ansicht arbeiten.  Da finden sich dann alle Geräteklassen, aus denen man z.B.  eine 3-phasige Sicherung selektiert, die  eingebaut werden soll. Dann werden alle angezeigt die es gibt. Davon wird eine ausgewählt und in den Plan gezogen. Wenn man Objekte wie beispielsweise Klemmen, immer wieder platzieren muss, sind dafür relativ viele Klicks notwendig.


Mit dem DCS Portal ist eine hochflexible Anbindung verschiedener Leitsysteme gelungen.

An der Stelle haben wir nun eine Toolpalette, mit jeweils bevorzugten Symbolen, die sich situationsbedingt automatisch anbieten und eine direkte und schnelle Selektion erlauben.
Dazu kommt noch eine "Kleinigkeit", die aber ebenfalls viele Klicks spart. Bisher erhielt man mit der rechten Maustaste durch Klick auf ein Objekt die Bearbeitungsmaske, über die man die gewünschten Attribute einzeln ansteuern und auswählen musste. Ab der Version 2019 ist es so, der Bearbeiter kann sich praktisch dauerhaft eine Attributliste in der Bedienoberfläche offen halten. Wenn nun ein Objekt selektiert wird, ist sofort die Attribut-Liste offen und die Attribute können direkt ausgefüllt werden.
Das spart für jedes Objekt ca.5 Mausklicks. Aber wenn man das bei einer großen Anlage Zigtausende Attribute bearbeitet werden müssen, lohnt es sich durchaus.
Das sind die wichtigsten Erweiterungen, die wir an der Bedienoberfläche gemacht haben, um einfach schneller zu werden.

Der erste Bereich, der die "Segnungen" nun offensichtlich abbekommt, ist der Anlagenbau. Wenn man heute eine Anlage neu konzipiert, wo ist da der Einstiegspunkt für die Ingenieure, wenn die Chemiker gesprochen haben?
Die ersten Schritte beginnen mit dem sogenannten Front End Engineering Design (FEED). Dabei geht es um eine grobe Auslegung der Anlage. Hier wird klar, welche Stoffe eine Rolle spielen, welche und wie- viele Behälter nötig sind, welche Heiz- oder Kühlstrecken notwendig sind usw. Gefragt wird auch nach den Materialflüssen und Zeitabläufen, letztendlich auch nach den Kosten. Zunächst wird in EBs Datenmodell ein Entwurf aufgebaut, der in einem „Flowsheet“ visualisiert wird.
In dieser Phase werden Simulationswerkzeuge eingesetzt, z.B Aspen oder Etap. EB importiert die Simulationsergebnisse automatisiert und zeigt sie sofort als ein Scenario an, vom Fließschema bis zur Materialbilanz.
Weil das sehr schnell geht und obendrein ein automatisierter Vergleich möglich ist, haben die Anlagenplaner jetzt die Chance, eine ganze Reihe dieser Szenarien durchzuspielen und so besser eine optimale Anlagenkonfiguration zu finden.

Musste man dafür etwas in EB ändern?
Ja, es gibt an der Stelle auch wieder Systemerweiterungen. Zum einen besteht jetzt die Möglichkeit, die Objekte in verschiedenen Ausprägungen zu gestalten - eine ganz neue Sache für EB. So hat jetzt z. B. ein Behälter, fünf verschiedenen Ausprägungen, für jedes Szenario eine.
Man könnte sich vorstellen, dass das Anlagenmodell an sich flach ist, aber für jedes Szenario existiert jetzt eine zusätzliche Ebene. Das ist natürlich eine ganz wesentliche Modellerweiterung.
Dadurch aber wird die Sache transparent und der Bearbeiter kann in EB vergleichen, was die einzelnen Szenarien für sein Designziel bringen.


Bei der Inbetriebnahme wird eine Anlage anhand von Cause & Effect-Dokumenten auf Herz und Nieren geprüft.

Wie geht’s dann weiter?
Dann kommen wir zum Process Engineering. Im Process Engineering gibt es zahlreiche Funktionen für die Erarbeitung des R & I-Schemas, z. B. durch modulares Design, Listen und Reports entstehen automatisch. Eine wesentliche Unterstützung bietet dabei unser Regel-basiertes Konstruieren.
Das R & I-Schema ist am Ende eine Kernkomponente des Engineerings, an die sich alle halten können und müssen. Es dient im Grunde als eine Art "Navigationssystem" für die gesamte weitere Bearbeitung.
Ich möchte noch ein weiteres Thema ansprechen, welches für die Planer wichtig ist, nämlich die Fahrzustände der Anlage. Es gibt meistens den Produktions- und  Reinigungszustand. Auf manchen Anlagen können aber auch unterschiedliche Produkte gefahren werden. Das bedingt natürlich unterschiedliche Steuerungsstände, worauf bei der Projektierung zu achten ist. Um das perfekt im Engineering Base abzubilden, haben wir ebenfalls wieder entsprechende Erweiterungen gemacht, die das Leben der Kunden deutlich erleichtern.
Ein besonderer Schwerpunkt im Process Engineering ist das spezifikationsgetriebene Arbeiten, kombiniert mit einem Rohrklassenkatalog. Rohrklassen geben z. B. vor, welche Leitungen welchen Materials welchen Medien und Druck-Temperaturverhältnissen standhalten müssen. Da sie sicherheitsrelevant sind, ist eine nachgewiesene Berechnung der Rohrklasse Pflicht.

Das bedeutet...
...dass wir auch an dieser Stelle versucht haben, es den Anwendern so einfach wie möglich zu machen. Wir haben uns bezüglich der Rohrklassen für eine Partnerschaft mit "Drafz" Consulting entschieden. Deren geprüften und ausführlich dokumentierten Rohrklassen lassen sich einfach über eine Standardschnittstelle in EB einlesen. Ihr Digitalisierungsgrad und die Datenbankstruktur passen optimal zu EB, sodass die Informationen in unserer Plattform leicht nutzbar sind.

Sie sprachen noch über das regelbasierte Arbeiten.
So ist es. Nehmen wir eine Pumpe und ein Ventil und beide sind über Rohrleitungen verbunden. Wenn ich nun an dieser Pumpe etwas ändere, z. B. den Nenndurchmesser, dann muss das Ventil auch diesen Durchmesser bekommen.
Um zeitraubende Handarbeit zu sparen, macht EB es jetzt regelbasiert: Bestimmte Informationen werden an angeschlossene Geräte automatisiert übertragen.

Wer macht denn die Regelsätze?
Allgemeingültige Regeln wurden durch uns vordefiniert, den Rest können die Kunden machen.
Im Gegensatz zu einer echten Programmierung können Ingenieure die Erstellung von Regeln durchaus beherrschen. Wir geben ihnen dafür noch eine spezielle Bedienoberfläche an die Hand.

Wo liegen denn die Grenzen des Systems? Wie weit gehen Sie denn mit der mechanischen Seite? Bleiben Sie auf der logischen Ebene oder gehen Sie auch auf 3D-Ebene?
Wir sind nach wie vor kein 3D-System. Wir legen zwar Dimensionen fest und Materialien etc., aber die räumliche Ausprägung einer Anlage die geschieht in einem mechanischen CAD-System. Dazu haben wir Integrationen mit den wesentlichen Anbietern wie z. B. Bentley, Intergraph oder Autodesk.

Jetzt geht es doch sicher auch um die Auswahl und den exakten Einsatz von Rechnern, Instrumenten, Controllern und Benutzeroberflächen in der Anlage.
Das wäre dann der nächste Schritt, der unter dem Begriff "Detail Engineering" läuft. Instrumentierung, Stromlaufplanerstellung, Verdrahtung, Klemmenbelegung, Schaltschrankdesign usw. kommen hier ins Spiel. Die Festlegung dieser gesamten Infrastruktur, die eine Anlage funktionsfähig macht, ist ja bekanntlich seit Jahrzehnten eine der Domänen von Aucotec. Das umfasst auch die automatisierte Übergabe von Engineering-Daten an die Programmierung aller möglichen Kontrollsysteme, sodass die Programmierung der Leitsysteme teilweise automatisiert erfolgen kann. Das spart Doppelarbeit und beschleunigt den gesamten Vorgang.
Eine Neuheit im Bereich des Detail Engineering, ist das DCS-Portal (Distributed Control System). Mit dem Portal ist uns eine hochflexible Anbindung verschiedener Leitsysteme gelungen. Es handelt sich um ein Basiswerkzeug, in welches unterschiedliche Interfaces eingebaut werden können. Solche gibt es bereits zum Siemens Automatisierungssystem PCS 7 und zum ABB 800xA. Weitere werden folgen.

Dann sind wir jetzt schon fast bei der Inbetriebnahme?
Noch nicht ganz. Vorher kommt noch der Punkt "Cause & Effect“.
Bei der Inbetriebnahme wird eine Anlage anhand von Cause & Effect-Dokumenten auf Herz und Nieren geprüft. Diese Phase profitiert noch einmal ganz besonders vom einheitlichen Datenmodell. Engineering Base zieht daraus alle nötigen Logik-Vorgaben jeder einzelnen Disziplin und erstellt die Report-Matrix automatisiert. Das sichert bisher ungekannte Konsistenz und spart sowohl wichtige Ingenieurs-Kapazität als auch sehr viel Zeit.
Jede Überprüfung einzelner logischer Verbindungen ist keine große Sache. Wenn es aber tausende von solchen Verbindungen in einer Chemie-Anlage gibt, dann artet das in richtige Arbeit aus! Und das war bislang immer Handarbeit. Darin liegt die gerade genannte Zeitersparnis. Und das schöne ist, die Excel-Listen, die wir am Ende erzeugen, sehen genauso aus wie jene, die bislang von Hand geschrieben wurden.
Und nochmals, der Anwender bekommt alles aus einem Datenmodell und muss sich die Informationen nicht aus verschiedenen Quellen zusammensuchen.

Wenn dann die Anlage irgendwann läuft, sind die Daten aus dem Engineeringsystem immer noch zu gebrauchen?
Wenn die Anlage läuft, sollte ihr digitales Abbild „auf Stand“ gehalten werden. Jede Änderung, auch die kleinste, wird dokumentiert, damit die virtuelle Anlage und die reale Anlage stets übereinstimmen. Das hilft im Wartungsfall ungemein.
Dazu werden von uns webbasierte Wartungsfunktionen angeboten. Das erhöht die Mobilität und die Qualität den Wartungsarbeiten. So schließt sich der Kreis eines Engineeringsystems mit einzigartiger Bandbreite: Von den ersten Ideen für eine Anlage bis hin zu den Wartungsarbeiten beim Anwender derselben.


Reinhard Knapp, Leiter des Bereichs, Global Strategies, bei  Aucotec.

Herr Kapp, vielen Dank für das Gespräch.

Über Aucotec
Die Aucotec AG entwickelt Engineering Software für den gesamten Lebenszyklus von Maschinen, Anlagen und mobilen Systemen – mit mehr als 30 Jahren Erfahrung. Die Lösungen reichen vom Fließbild über die Leit- und Elektrotechnik in Großanlagen bis zum modularen Bordnetz in der Automobilindustrie. Aucotec-Software ist weltweit im Einsatz. Zu Aucotec mit Zentrale in Hannover gehören noch sechs weitere Standorte in Deutschland sowie Tochtergesellschaften in China, Südkorea, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Polen, Schweden und den USA. Darüber hinaus sichert ein globales Partner-Netzwerk

www.aucotec.com

- Karl Obermann –
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