Zunächst herzlich willkommen auf CAD.DE.
Suchen Sie mal im Netz nach Seiten ähnlich der von Herrn Schoenwald, man findet fast keine – mehr. Hoffen wir, daß wenigstens die noch eine Weile durchhält.
Vor 10 Jahren war ich mir sicher, CAM setzt sich durch, würden heute nur noch mit CAM und 3d-Modellen arbeiten. Schön, wenn sich wenigstens ein paar Stecknadeln im Heuhaufen der Studenden finden, die sich mit dem Thema auseinandersetzen.
Nebenan im Bereich Solidcam – man beachte den zeitlichen Abstand der Threads – finden Sie ein Projekt mit dem Herzaschenbecher, da sehen Sie in etwa die Arbeitsweise.
Es beginnt damit, daß man aus der Konstruktion Daten bekommt, für CAM sollten sie in 3d sein, Schneideteile (Wasserstrahl, Laser und Brennschnitt in 2d-DXF, aber das lass ich hier mal weg).
Nun differenziert man nach 2 1/2d und 3d. Ersteres heisst, Fräser in seiner Längsachse (meist Z) zustellen und dann mit X und Y die Kontur abfahren. 3d heisst, man fährt in allen Achsen gleichzeitig und bildet (meist mit kugelförmigen Fräsern) die Fläche so gut wie möglich ab.
Als Faustregel kann man sagen, daß 2 1/2d kurze Rechenzeiten hat, man aber viel Zeit mit dem Programmieren verbrät und hinterher nur ein relativ kurzes Programm hat, bei 3d der Rechner viel werkeln muß, man selbst aber mit Glück flott fertig ist, das Programm aber sehr, sehr lang werden kann.
Unter dem CAM gibt es im Regelfall ein mehr oder weniger leistungsfähiges CAD, bisweilen kann es das selbe CAD sein, mit dem auch die Konstruktion arbeitet, sonst geht man über Neutralformate wie SAT oder STEP (Nebenbei: DXF und SAT mal mit Word anschauen...). Dabei verliert man jedoch bis auf die reine Teilegeometrie alle Zusatzinfos, Gewinde, Arbeitsebenen und ggf. die Teilehistorie („Featurebaum“ sind futsch.
Jetzt kommt die Überlegung, in welcher Reihenfolge ich das Teil herstellen werde, wie ich es spanne.
In die Maschine kommt ein Werkstück, das Rohteil. Das modelliere ich mir zuerst um mein Fertigteil herum und schalte es auf durchsichtig, ich sehe mein Fertigteil innendrin, hier lege ich den Materialzuschnitt und die Zugaben fest. Brauche ich was zum Festspannen, kann die Zugabe eben größer ausfallen, es kann auch ein rohes Gussteil sein.
Nun verlasse ich die Einzelteilumgebung, öffne einen Zusammenbau, dort kommt Maschinentisch und Spannmittel hinein, das ist sozusagen eine Prototypendatei, die ich nur kopiere, wo man die Sachen dann nur noch in die richtige Lage bringt, schon alles an Unterlegleisten usw. drin ist. In diese Datei kommt mein Teil hinein und in das Spannmittel. Das kann aber auch recht aufwendig werden, Spannplatten, Schrauben, Pratzen usw., über die man später gezielt hinweg- drumherumfahren muß.
Das Stichwort hier ist Maschinenraumsimulation, ein aktueller Trend. Mir geht es eher darum, frühzeitig zu merken, ob mir die Verfahrwege reichen werden, ob mein Schraubstock die nötige Spannweite hat oder hier Änderungen nötig sind.
Am Ende dieses Schrittes habe einen CAD-Zusammenbau, der mir die Situation später in der Maschine darstellt, viele Teile haben gleich ihre Bezeichnung mit drin, Unterlegleisten zum Beispiel. Bis hierher ist alles CAD.
Die nächste Überlegung gilt dem Nullpunkt, also einem Bezugspunkt im Koordinatensystem, von dem aus Maschine und CAM rechnen werden. Diesen legt man bei manueller Programmierung möglichst so, daß man wenig rechnen muß, macht deren auch mehrere. Im CAM reicht meist einer und der kann durchaus auch „in der Luft“ hängen, ich beziehe ihn üblicherweise auf das Spannmittel, brauche mit meinen Bearbeitungszugaben den Nullpunkt nicht zu ändern. Es kann aber sein, daß man auch im CAM mehrere Nullpunkte benutzt, wenn man z. B. Bearbeitungsgruppen hat, die sich auf vorhandene Geometrien beziehen müssen, die man erst abtastet, im CAD aber fix hat. Bekannt ist G54 und usw. Wichtig ist hier auch, daß man die Achsrichtungen festlegt, wie sie später die Maschine benutzt.
Bei mir gilt – Vorgabe vom CAM – daß oberhalb von Z=Null nichts mehr ist, man dort also mit Eilgang hin- und herfegen kann.
Das heisst auch, daß der CAM-Nullpunkt normalerweise nichts mit dem CAD-Nullpunkt zu tun hat, den der Konstrukteur mehr oder weniger bewußt benutzt hat.
Das waren die Vorarbeiten, jetzt wird das CAM gestartet, es fragt zuerst nach seinem Arbeitsverzeichnis (bei mir), danach fragt es die Nullpunkte ab und einige Daten des Werkstückes, unter anderem auch das Material.
Im CAM führt man im Regelfall noch zwei Datenbanken mit, das eine ist die Werkzeugdatenbank, wo man sich seine ganzen Werkzeuge hinterlegt, bei neueren CAMs mit den Werkzeugaufnahmen (Steilkegel, HSK, Weldon, Spannzange, Schrumpffutter usw.), hier liegen die Geometriedaten. Wichtig ist zum Beispiel, wie weit ein Fräser aus dem Spannzangenfutter herausschauen muß, damit man nicht mit dem Futter auf's Teil kracht, weil man eben noch tiefer rein will, als es geht.
Jedes Werkzeug erhält eine eindeutige Nummer, bei mir kann man dann noch festlegen, welche Werkzeuge fix in der Maschine drin bleiben und welche bedarfsweise nachbestückt werden. Die Werkzeuge werden vermessen, kann man auch in der Maschine machen und die Geometriedaten bekommt das CAM. Zusätzlich bieten die Maschinen steuerungsintern die Möglichkeit, Werkzeugverschleiß zu kompensieren (G40er).
Das einzige, was hier synchronisiert, ist der Halterplatz. Später erfährt die Maschine nur, daß sie Werkzeug Nummer 11 aus dem Magazin holen soll, wenn da ein falsches drin ist, dann kann es böse krachen.
Die zweite Datenbank ist die Schnittdatenbank, normalerweise ordnet man jedem Werkzeug eine Drehzahl (bzw. Schnittgeschwindigkeit) und Vorschub zu, kann – wenn der Hersteller das realisiert hat – eine aufwendigere Datenbank pflegen.
Das heisst konkret, das CAM weiß dann, wie tief es zustellen darf, wenn ich mit einem Schaftfräser eine Nut fräse und das Material um 180Grad um den Fräser liegt oder nur ganz wenig mit großer Schnitttiefe seine Seitenwand fräse, dort darf der Vorschub dann auch höher sein, man kann so z. B. beliebte Fallen für Rattermarken im Vorfeld ausschließen. Sinn ist auch, daß man die Prozessdatenbank vom Programmierer abkoppelt, Leute, die davon keine Ahnung haben, dann doch passable Programme hinbekommen, nicht optimal zwar, aber das ist dann eher egal.
Wenn also zum Beispiel ein 8er Schaftfräser benutzt wird, kann der nicht die Vorschubraten ab wie ein 20mm-Fräser, hat auch nicht die Schneidenlängen und wenn, dann ist er um Welten instabiler.
Stahl, Gußeisen oder Alu benötigen verschiedene Schnittwerte, Kühlung mit Flüssigkeit oder Druckluft oder gar keine.
Nun sage ich meinem CAM noch, was mein Fertigteil sein soll, was mein Rohteil ist und was es als Spannmittel in Ruhe lassen soll. Diese Definitionen sind Routinearbeiten.
Nun kommen die einzelnen Arbeitsgänge dran, in Dialogboxen gebe ich vor, was wie zu geschehen hat, welches Werkzeug, kann die Vorgabewerte überschreiben, ob Ecken gleich verrundet werden sollen. Vor allem hole ich mir die Geometrien aus dem CAD, das kann ein Klick auf eine Fläche sein, wo dann 500 Bohrungen automatisch gewählt werden oder eine nervtötende Einzelsegmentklickerei einer unterbrochenen Kontur. Fehlt was, wird es im CAD flugs dazumodeliert. Deswegen ist ein leistungsfähiges CAD (und vor allem die Kenntnis des Umgangs damit) so wertvoll. Ebenso lege ich fest, ob Aufmaße stehen bleiben sollen, wenn eine Fläche zum Beispiel nur vorgeschruppt wird.
Mit dem Werkzeug nehme ich dann zumeist schon die ganzen Schnittdaten mit ins Programm, verwende ich noch die Prozessdatenbank, dann greift das CAM auf die zurück, ich kann die Werte dann manuell noch überschreiben, wenn es sich als nötig erweist, aber meist zeigt das der erste Programmlauf, wo man an den Potis der Maschine nach Gefühl und Gehör nachregelt.
Nach jedem Schritt kann ich mir die Simulation anschauen, entweder als Linien, die die Werkzeugbahn symbolisieren, einfach und wirkungsvoll oder als richtige 3d-Simulation mit Prüfung, ob man wo gegenkracht. Null-auf-Null-Geschabe, da mault das CAM allerdings noch nicht. Hier mault es auch, wenn man mit dem Fräserhalter irgendwo gegenfährt oder die Schneidenlänge des Fräsers nicht reicht, 36mm tief beim 16er Fräser, will man 40mm tief rein, braucht man einen mit längeren Schneiden. Ebenso mault das CAM, wenn man unten durch das Teil hindurch in die Unterlegleiste bohrt.
Kommt das CAM in eine Ecke nicht rein, weil der Konstrukteur einen Eckenradius von 10mm will, mein Fräser aber ein 20er ist, bleibt Material stehen, das man dann gezielt wegfräsen möchte, auch das ist Aufgabe des CAM, diese Fahrbewegungen zu errechnen. Der große Fräser erlaubt dann ein recht flottes Vorschruppen.
So setzt man Job an Job, geht strategisch vor. Das Teil kann nur einen Job haben, aber auch 80 in Folge. Man sollte dabei keine Fehler machen.
Bei komplexeren Konturen berechnet das CAM die Fahrbewegungen für die Taschen, versetzt die Kontur um das Schruppmaß, muß Inseln aussparen können, darf die Werkstückkontur nicht verletzen, berechnet auch die Eintauchbewegung.
Das heisst, man darf normalerweise nicht einfach „irgendwie“ ans Material fahren, sondern muß auch das überlegt tun, im einfachsten Fall ein wenig vor dem Material anfangen, dran vorbei und hinten wieder frei, besser schon geht’s in Kreisbögen, weil man die Anfahrmarken dann normalerweise nicht mehr sieht, wobei man dabei aber nicht an anderer Stelle versehentlich gegen das Teil fahren darf. In Taschen sollte man oft auch nicht einfach senkrecht reinfahren, sondern wenigstens vorbohren oder in schrägen Geraden oder spiralig ins Material tauchen, all das ist auch Aufgabe des CAM.
Eintauchen nicht verwechseln mit Plungern, so eine Art Bohrfräsen, auch das sollte ein CAM beherrschen, weil es recht flott geht, aber halt nicht bei allen Werkstoffen und besondere Werkzeuge will.
Häufig wiederkehrende Gruppenbearbeitungen kann man auch zusammenfassen lassen und als Makro aufrufen. und nur noch die Sachen ändern, die man zum Ändern offengelassen hat.
Im CAM sage ich auch, wie der Fräser zu führen ist, im einfachsten Fall Gleich- und Gegenlauf nach Lust und Laune, beim Schlichten im Regelfall nur noch Gleichlauf, ob das CAM beim Inselverbinden quer durch's Material rauschen darf oder Z freifahren und neu eintauchen muß usw. usf. Man wählt also aus Optionslisten aus. Reissen alle Stricke, kann an sich die Kontur ganz knallhart auch skizzieren und das CAM darauf führen, ich nenne das immer „Freihandfräsen“, besonders nützlich, wenn man mit einem Messerkopf zwischen Spannmitteln herumzirkeln muß und dabei den Probleme mit dem Werkstückverzug hat. CAMs können auch aufwendigere Bewegungen rechnen, modern ist das sog. trochoidale Fräsen, hier hält das CAM den Winkel, mit dem der Fräser in Kontakt mit dem Werkstück steht, möglichst konstant, gibt aber lange Programme. Sowas kann man zu Fuß nur noch sehr mühsam programmieren, im CAM ist es ein Haken, der zu setzen ist.
Hat man auch diesen Teil hinter sich, sieht man sich nochmal die Simulation an. Bei dieser Gelegenheit machen einige CAMs auch gleich eine Laufzeitberechnung, wie lange die Maschine braucht, summieren aber wohl nur die Vorschubzeitenzeiten auf, Eilgangzeiten und Werkzeugwechsel bleiben aussen vor, besonders krass daneben liegen sie daher bei Zyklusaufrufen (Tiefbohren in Stufen). Aber einen Anhalt hat man schon mal.
Beim Fasenfräsen – also dem Entgraten gleich in der Maschine – fegt man gern ein wenig zuviel weg. Fasen sind am Modell normalerweise nicht anmodelliert, weil sie die Konturenwahl sehr erschweren würden, daher hat man da auch nicht die Kontrolle der Konturverletzung. Da ein Fasenfräser z. B. 12mm Durchmesser hat, aber bei 5mm Durchmesser schneidet, darf er ggf.auch nicht bis ans Ende der Kontur fahren, sondern muß rechtzeitig aufhören, sonst knallt er mit seinem Schaft gegen das Werkstück. Das sieht man dann in der Simu, ebenso vergessene Schlichtbearbeitungen, weil dort die Fasendicken optisch nicht stimmen.
Nun erfolgt noch der Postprozessorlauf. Wichtig ist, daß die CAM-Simulation vor dem Postprozessorlauf erfolgt, was die Maschine kriegt, danach entstanden ist. Wer also im Postprozessor herumprogrammiert, sollte ein wenig vorsichtig sein, bei mir ist das eine Programmiersprache, die man sich eben mal reinzieht. Ich selbst habe mir bevorzugt Abfangstellen reingeschrieben. Steht im CAM der Nullpunkt bei Z=250 und der korrespondiertende G54 mit geringer Toleranz nicht, dann verweigert die Maschine das Programm, kracht also ggf. nicht im Eilgang irgendwo gegen.
Das heisst, das CAM erstellt sich zunächst intern eine Datenstruktur mit Variablen, auf die Sie zugreifen können und sich daraus die nötigen Zeichenkettensequenzen bauen, das Ganze modulweise, Wenn Ihnen eine Steuerung einen Zyklus bietet, lassen Sie den eben mit Parametern bedienen und rufen den auf, bietet die Steuerung den Zyklus nicht, bilden Sie ihn sich mit einzelnen Fahrbewegungen nach.
Nehmen wir die Tieflochbohrung, üblicherweise ein Zyklus im G8x-Nummernkreis. Den können Sie mit den Parametern aufrufen oder aber jede einzelne Fahrbewegung selbst anhand einer Schleife berechnen lassen, dann können Sie vor allem auch Sachen reinschreiben, daß die Bohrtiefen zunächst länger sind und mit zunehmender Bohrtiefe immer kürzer werden (also Faktor), Sie können zudem mit niedriger Drehzahl ein Stück in die Bohrung einfahren und dann erst wieder auf volle Drehzahl gehen und den Bohrer mit niedriger Drehzahl zum Ausspanen herausziehen. Das mit den langen Bohrern ist nicht ohne.
Es sind also schon viele G-Sätze, aber genauso auch die M-Sätze für die Maschinenzyklen, Werkzeugwechsel und Kühlmittel zum Beispiel. Und auch Programmsteuerfunktionen wie IF-Abfragen. Bei Heidenhain liest es sich wieder ganz anders.
Nun muß das Programm noch in die Maschine, es gibt dazu Programme, ASCII hat sich da noch keineswegs durchgesetzt, mit Gück hat man schon Netzwerk, oft aber nicht. Passt das Programm nicht am Stück in die Maschine, segmentiert man es im CAM oder lädt es blockweise nach, wenn die Steuerung das kann.
Maschine rüsten, aufpassen, keinen Mist bauen und dann Action, aber beim ersten Programmlauf Vorsicht.
Das Spiel wiederholt sich Aufspannung für Aufspannung, ich modelliere mir zudem immer das Rohamterial mehr oder weniger detaigetreu nach. Gibt schöne Rüstpläne, wenn das Teil wieder mal kommt.
CAM hat auch den Vorzug, daß man das Programm relativ schnell durch Austausch des Postprozessors auf eine andere Maschine portieren kann, muß aber aufpassen, denn der Maschinenraumaufbau sollte wieder stimmen (CAD) und die Werkzeugbestückung. Wenn die Maschine dann nur 15 Werkzeugplätze hat, ist ein Werkzeugaufruf mit Nummer 37 nicht so sinnvoll. Das heisst, es kann einem passieren, daß man das Programm doch stellenweise ändern muß, weil man andere Werkzeugaufnahmen hat.
Besonders aufpassen sollte man auf den Werkzeugwechsler, sind Werkzeuge in der Maschine, knallt man bei hohen Teilen durchaus da mal gegen lange Werkzeuge, was bei einer anderen Maschine halt nicht passiert.
Zur Rechenmethode der CAMs noch ein paar Worte, gängig ist das sogenenannte Facettenmodell, das CAD-Modell wird also in viele kleine, ebene Flächen aufgelöst. Wie genau, das legt man in den Voreinstellungen fest. Hat man da 0.1mm stehen, werden aus Kreisbögen eben lauter deutlich sichtbare Flächen. Einige wenige wie Tebis rechnen auf dem CAD-Modell. Das CAM prüft also, ob es so eine Facette verletzt und macht ggf. ein paar Iterationsschritte, damit die Kontur eben heil bleibt. Theoretisch zumindest.
CAMs haben im Regelfall auch kein Gefühl, Rattermarken oder instabiles Werkstück interessieren nicht, eine 1/10mm dicke Wand mit 50mm Höhe ist da kein Problem.
„Sucht das im 3D-Modell nach Kanten, Bohrungen, Ecken, ...
und fährt diese dann systmatisch ab? oder wie hab ich mir das vorzustellen?“
Die sogenannte Featureerkennung ist seit einigen Jahren ein Schlagwort, so recht überzeugen tut es mich nicht. Da lasse ich lieber auch 2 1/2d-Geometrien als 3d-Job rechnen, gibt ein recht langes Programm, das aber sehr schnell fertig ist.
Es gibt aber noch eine Funktion, die bisweilen ganz nützlich ist, wenn man das gleiche CAD unter dem CAM hat, mit dem auch der Konstrukteur arbeitet. Ändert er einen Parameter im Modell, rechnet das CAD das Modell neu aus und das CAM merkt das, zieht also sein Programm nach. Das funktioniert einigermaßen, neu hinzukommende Features merkt es oft nicht, aber wenn ganze Bearbeitungsgruppen sich ändern, also z. B. Taschengrößen, dann geht das ganz gut. Schön vor allem, wenn man sich weiche Spannbacken vom CAD-Modell abgeleitet hat, im CAM programiert und die sich dann eben auch nachziehen und sich die Nacharbeit ggf. in Grenzen hält.
Es gibt in diesem Zusammenhang das sog. Mastermodelling, ein paar zentrale Parameter steuern ganze Zusammenbauten, das CAD modifiziert und das CAM zieht nach. Theoretisch.
CAMs sind übrigens nicht fehlerfrei, sonst wär's in der Praxis ja langweilig.
Zurück zum Anfang, wieso war ich mir so sicher, daß sich CAM durchsetzt?
Der klassische Ablauf ist das Erstellen des Teils (in 3d), dann die 2d-Zeichnungsableitung mit allen Maßen und vor allem Kommenaren (Passungen, Gewinde, Form- und Lagetoleranzen, Härtezonen usw.). Diese Zeichnung geht an den Fertiger, auf Papier oder pdf. Auf Basis dieser Zeichnung wird das Teil programmiert. Fehlen Maße, muß rückgefragt werden.
Gebe ich die 2d-Ableitung mit, hat der Fertiger zunächst die Chance, sich fehlende Maße herauszumesen. dies scheitert jedoch häufig daran, daß zwar das CAD vorhanden ist, aber die Leute dazu nicht.
Im CAM setze ich auf das 3d-Modell auf, kann ich mir alle Maße in der Zeichnung sparen, die Freimaße sind, die Zeichnung ist schneller erstellt und übersichtlicher. Im nächsten Schritt kann ich die Kommentare im 3d codieren. H7 als Passungsangabe steht in der Zeichnung auch nur neben der Maßzahl, meist muß man im Tabellenbuch die Abmaße nachschlagen und muß sie ins manuell geschriebene CNC-Programm einbringen. Das leisten mir aber Codes im 3d auch, im Endeffekt brauche ich gar keine Zeichnung mehr – bei mir seit 10 Jahren im Entwicklungsbereich, wo es auf Tempo ankommt.
Nun schreiben manche Konstrukteure hin 100 -0.1 – 0.3, das heisst, das Maß dürfte dann zwischen 99.7 und 99.9 sein, würde ich auf das Modell programmieren, wäre ich schon aus der Toleranz, hier muß die Konstruktion schon drauf achten, daß das Modell die Geometrie abbildet, die später das Teil haben soll (Stichwort: Mitte-Toleranz-Modell).
Mit dem Wegfall der Zeichnung kann ich also sofort ins CAM, anstelle der Zeichnung ist in etwa in derselben Zeit das CNC-Programm fertig, wo also ein anderer erst versucht, sich das Teil vorzustellen, kann ich so schon auf den (grünen) Startknopf der Maschine drücken. Nur bei ganz einfachen Teilen (1-bis-2-Loch-Teile) kostet der CAM-Overhead mehr Zeit.
Zum Zeitgewinn kommt die Prozessicherheit, beim CAM fallen Fehlinterpretationen und Falscheingaben (Zahlendreher) faktisch weg, ganz fehlerfrei wird es nicht, aber deutlich (>75%) weniger.
Der Konkurrent von CAM ist die werkstattorienterie Programmierung (WOP), man findet das an vielen Steuerungen, aber für die muß ich erst eine Zeichnung machen, kann mir mit Hilfmitteln (Heidenhain: Freie-Kontur) beim Programmieren helfen lassen, aber die Zeit für die Zeichnungserstellung ist weg.
Was blieb jetzt nach 10 Jahren Hoffnung? Eigentlich nur Frust aus enttäuschter Hoffnung, ich leite also auch Zeichnungen ab, wenn sie nach extern gehen sollen und vergesse Maße, mache pdfs für den Mailversand.
Hoffe, daß ich jetzt nicht zu weit am Thema vorbei bin, wenn es Sie interessiert, wie man die Fahrbewegungen rechnet, dann beschreiben Sie das Facettenmodell üblicherweise mit den Normalvektoren, haben im Regelfall ein geometrisch einfaches Werkzeug (Halbkugel, Zylinder), nehmen ein Stück Fahrweg und gucken, ob Sie Facetten verletzen, iterieren ggf. und sofern verlangt, rechnen Sie (vor allem bei Halbkugel) noch nach, ob Sie die erlaubte Rauhtiefe noch einhalten. Dann verbinden Sie die ermittelten Punkte innerhalb der voreingstellten Toleranz mit Geraden und wenn möglich Kreisbögen. Hört sich einfach an, ist es eigentlich auch, die Kunst besteht in den Feinheiten, ziehen Sie sich aber dafür vorher die Basis zu C++ rein (für Studenten mit Linux-Präferenz g++, kostenlos).
Hier finden Sie noch ein paar Videos zum Anschauen, trinken Sie aber ein wenig starken Kaffee, es ist etwas langweilig und achten Sie etwas auf die Rohtmaterialdefinition beim 2 1/2d-Fräsen, der Lehrgang geht hier in die Falle, wenn man ohne Spannmittel und manuell erstelltes Rohteil programmiert.
http://www.solidcam.de/getting_started_2d_fraesen_en_de,45950.html
Hoffe, der Herr Schoenwald ist mir jetzt nicht allzu böse, ich finde seine Seite auch sehr toll gemacht, weil sie die Grundlagen gut rüberbringt, ich finde seinen Weg richtig. Und wenn Technikstudenten bei CAM nicht nur an Webcam denken, ist schon sehr viel gewonnen.
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