Hallo Benjamin,
kann es ein, dass beim allerersten Verdrehen der Hebel nicht bis in die Ausgangslage zurückging? In diesem Fall hättest Du selbst die Feder vorgesetzt, d. h. über die Fließgrenze hinaus beansprucht, so dass nach dem Entlasten Eigenspannungen zurückbleiben. In der Randzone haben diese Eigenspannungen das entgegengesetzte Vorzeichen zu den Lastspannungen aus dem äußeren Moment (gleichbleibende Belastungsrichtung vorausgesetzt). Durch Überlagerung der Eigen- und Lastspannungen ergibt sich also in der Randzone eine geringere Gesamtspannung als es ohne Vorsetzen der Fall wäre.
Diesen Effekt berücksichtigt der Roloff/Matek mit einer um fast 50% höheren zulässigen Schubspannung für vorgesetzte Drehstabfedern.
In erster Näherung kann man wohl annehmen, dass bei vorgesetzten Federn auch das Moment, bei dem die plastische Verformung beginnt, um ca. 50% höher liegt. Aufgrund der linearen Federkennlinie liegt dann auch der Verdrehwinkel ca. 50% höher.
Bei welcher Spannung beginnt die plastische Verformung?
Die allgemeine Vorgehensweise ist die Umrechnung des vorhandenen Spannungszustandes in eine einachsige Vergleichsspannung. Es kommen in Frage:
- die Gestaltänderungsenergiehypothese nach v. Mises
- die Schubspannungshypothese nach Tresca
Die Werte, die nach diesen beiden Verfahre errechnet werden, unterscheiden sich im günstigsten Fall gar nicht, im ungünstigsten Fall um max. ca. 15%.
Für einachsige Schubbeanspruchung gilt der ungünstigste Fall:
sigma_v = Wurzel(3) * tau nach v. Mises
sigma_v = 2 * tau nach Tresca
Das plastische Fließen setzt ein, wenn die Vergleichsspannung gleich der Fließspannung ist. Bei geringen Verformungen kann man als Fließspannung die Fließgrenze bzw. die 0,2%-Dehngrenze annehmen.
Hast Du die 52HRC an der fertigen Feder gemessen? Nach der Umwertungstabelle DIN 50150 (die nach meiner Erfahrung sehr brauchbar ist) bedeutet das eine Zugfestigkeit von 1810 MPa. Da musst Du "nur"noch die zugehörige Dehngrenze herausfinden.
Alle 3 Effekte zusammengenommen
- scheinbare Erhöhung der Schubfließgrenze durch Vorsetzen
- Ermittlung der Vergleichsspannung anhand der "passenderen" Hypothese
- Berücksichtigung der tatsächlich vorhandenen Festigkeit des Werkstoffs und nicht der Mindest-Festigkeit laut Norm
könnten vielleicht gerade ausreichen, um Berechnung und Experiment in Einklang zu bringen
Ulrich
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