Vorab, das hier ist meine Meinung und Erfahrung aus gut 20 Jahren und nicht die allgemeine Forenmeinung, großteils auch mit PDM, aber auch ohne. Und mit Revisionen, wenn die Maschinen beim Kunden Jahrzehnte laufen.
1. Modellzustände für Revisionshandhabung
Daß man hier wenig über Inventor findet, dürfte daran liegen, daß meines Wissens die Funktion erst 2022 reinkam und die meisten Anwender schon vorher ihre Abläufe festgeschrieben haben.
Allerdings gibt es eine sehr ähnliche Funktion seit gut 20 Jahren bei Solidworks. Und dort habe ich auch nie gelesen oder gehört, daß man sie für die Revisionsverwaltung einsetzt, obwohl es bei SWX ein sehr mächtiges Werkzeug ist. Das nutze ich sehr gern, hebe es mir aber für‘s CAM auf.
Einer der Gründe der Nichtnutzung ist, daß so mancher das mit den Konfigs nur einmal nutzt – das letzte Mal.
Und nun ein theoretisches Gedankenspiel. Angenommen, wir öffnen die Datei, der man am Dateinamen nichts von den Konfigs ansieht, schalten Konfig 3 von 8 aktiv und speichern die Datei so. Der nächste weiß nichts von Konfigs, macht die Datei auf, bräuchte die Nr. 8, ahnt also nicht, daß er auf der 3 aufsitzt und gibt die Info weiter. Der Anwender muß also wissen, wie man die Funktion handhabt. Neutralformate wie STEP oder PDF können sie auch nicht.
Und – das wird in Punkt 6 noch ausführlicher dargestellt, kann es Ärger mit PDMs geben, wenn das Teil bereits eine Freigabe hat und nicht mehr geändert werden kann.
2. Aufheben alter Stände
Hier bin ich sogar noch restriktiver als der Chef, es werden also die exakten CAD-Daten der Maschine in Kundenhand eingefroren. Das heisst, daß auch alle Änderungen bei Fertigung, Montage und Nachreife in Kundenhand mit erfasst wurden. Und es wird nie der Originaldatensatz geöffnet, weil dieser durch die neuere CAD-Version durchaus verändert werden kann, sondern immer nur eine 1:1-Kopie mit allen Teilen.
Einfaches Beispiel ist der Servicetechniker, bevor der in den Flieger steigt, will er sich über die Maschine vor Ort am anderen Ende der Welt informieren. Das kann er mit sauber gepflegten CAD-Daten. Er weiß dann auch, welche Spezialwerkzeuge er unter Umständen mitnehmen muß und daß da nicht ein Powergrip, sondern ein Synchroflex-Zahnriemen drin ist.
Und wir hatten im Job sehr akribische Kunden, die wollten exakt dieselbe Maschine mehr als ein dutzend Mal nochmal. Nach 10 Jahren. Und die prüften das bis zur letzten Unterlegscheibe. Lustig war hier, daß ein Bauteil zufällig vom Kunden selbst stammte, er das aber nicht mehr produzierte…
Die Daten nur in der Warenwirtschaft zu haben, würde mir nicht reichen.
Bei einigen meiner Produktlinien muß ein Originalteil wieder ein solches werden. Wenn der Kunde Maschine Nr. 83 und demzufolge auch diesen Entwicklungsstand hat und ein Ersatzteil benötigt, muß dieses wieder genau dieser Stand sein, auch wenn man inzwischen bei 243 angekommen ist. Dies würde einen Wertverlust bedeuten. Wenn also einst dioe zugehörige CNC-Maschine defekt war und man handgefeilt hat, muß auch das Ersatzteil…
3. Lückenhafte Excelliste oder PDM
Auch wir hatten nach der Firmengründung lange Zeit die Excel-Liste. So schlecht war die rückblickend nicht.
Das Vorgängerkonzept codierte in der Teilenummer die Projekt- und Baugruppenzugehörigkeit. Damit fand man sich extrem schnell zurecht. Aber manche Buchstabenkombis traten zu häufig auf, andere gar nicht, der Nummernvorrat war unerwartet schnell aufgebraucht. Das System konnte auch Revisionen.
Daher kam zusammen mit ERP ein fortlaufendes Nummernsystem ohne Revisionen, denn man konnte ja eine neue Nummer vergeben. Häufig mußten Teile identifiziert werden, die Teilenummer selbst unbekannt, man wußte nur, welche Maschine. Daher konstruierte ich meine Maschinen zunächst extern vor, bis man wußte, wieviele Teile und Baugruppen es werden. Diese Anzahl nahm man mal einen großzügigigen Erfahrungsfaktor und reservierte sich dann einen fortlaufenden Nummernblock dieser Größe. Damit hatte man alles beisammen, auch später dazukommende Teile können bei den alten sein, weil Nummern frei sind.
Die Suche selbst erfolgte oft – so 10x pro Woche – anhand der Vorschaubilder im Dateiexplorer. Wenn man also zuviele Dateien in einem Verzeichnis hat und der Server lahm wird… Es reichte aber, wenn man ein Teil dieser Maschine gefunden hatte, dann war man auch bei den anderen. Und die Verwendung konnte man in der Excelliste mit angeben.
Das PDM vergab die Nummern dann automatisch, wer eine Nummer anforderte, bekam die nächste. Damit waren alle aktuellen Projekte ineinander vermischt. Und Teile, die erst sptäer bei der Montage noch dazukommen müssen, liegen weitab in der Prärie. Ohne Suchmaschine wird es jetzt schwierig.
Doch die Suchmaschinen sind nicht fehlertolerant, vergaß man bei der Grundplatte das l, findet die PDM-Suche zwar alle 257 Grundplatten querbeet, nach deren Durchsicht stellt man aber fest, die eine ist nicht dabei. Die Suche nach Vorschaubild fällt auch flach, weil viel zu lahm. Damit wird so eine Suche zu einer zeitaufwendigen und ergebnisoffenen Sache.
4. Große und kleine Revision
Eine Rückwärtskompatibilität über längere Zeiträume läßt sich nicht immer erreichen, wir haben daher die Differenzierung eingeführt, wie weit die Rückwärtskompatibilität geht, indem man die Revision mit Dezimalpunkt getrennt schrieb, also z. B. XXX-R7.12 . Das hieß, innerhalb der großen Revisionsgruppe 7 sind die 12 Revisionen rückwärtskompatibel, aber nicht mehr weiter, also nicht für die großen Gruppen 0 bis 6.
Was bisher hier im Thema diskutiert wurde, wäre also die kleine Revision. Mit der großen können Teilenummer und Funktion gleich bleiben, nur die Rückwärtsverwendbarkeit ist eingeschränkt.
5. Info an die Fertigung
In der Werkstatt muß ich wissen, was man machen soll. Am einfachsten ist es, wenn hinter der Teilenummer auch gleich mit dem -Rxx die Revision steht und man das mit der mitgelieferten Zeichnung abgleichen kann.
Hat man das Teil in einer früheren Revision schon mal gemacht, ist es von Vorteil, diese Arbeit weiterverwenden zu können, dazu muß man exakt wissen, was geändert wurde. Das sollte also in der Zeichnung nachvollziehbar und deutlich sichtbar vermerkt sein.
Wenn man die Revisionsinfo nicht ausreichend genau bekommt, muß man bisweilen alle Maße prüfen oder kann die ganze Arbeit gleich neu machen.
Bei uns gab es auch schon ein System, wo man grundsätzlich eine neue Nummer vergab. Also schrieb man auf die Zeichnung der alten „ersetzt durch….“ und auf die neue „ersetzt ….“. Damit ist die Kette rekonstruierbar. Und Kunden, die alte Stände nachgefertigt wollten, schrieben das in die Bestellung.
Als Fertiger kann ich normalerweise nicht unterscheiden, ob ich nun wirklich Neuteile aktuellster Revision machen soll oder das Ersatzteillager mit älteren Teilen auffüllen.
6. Probleme mit CAM
Auch bei Nutzung solcher Programmiersysteme für Werkzeugmaschinen müssen Revisionen der Konstruktion mit abgebildet werden. Allerdings ist die Dateiorga im Regelfall noch aufwendiger als beim CAD. Bekommt man es auf die Reihe, kann man die Konstruktion mitsamt CAM—Daten kopieren, ändern und hat die neuen Daten.
CAMs referenzieren das CAD-Modell anhand des Dateinamens, wobei man durchaus schauen kann, ob das CAM einen Austausch des CAD-Modells zuläßt. Und wenn ja, ob das ein PDM mitmachen kann im Fall der Konstruktionskopie, ich selbst muß es im Job manuell machen. Das kann ziemlich viel Arbeit werden.
Im CAM programmiert man die Werkzeugmaschine zudem heute vielfach nicht mehr auf Einzelteilebene, sondern baut sich den Maschinenraum mehr oder weniger vollständig nach, hat für später also einen exakten Rüstplan und kann auch auf Kollisionen simulieren. Pro Aufspannung eines CAD-Teils entsteht also eine extra IAM, die also auch die Revisionen mitgehen muß. Wenn man es ganz genau macht, geht das Rohteil die einzelnen Zwischenstände mit.
Schick, wenn man mit SWX bei den Konfigs die Maschinen wählen kann, die Spannmittel sowieso und im Falle von Varianten einem das CAD schon sagt, wie man den NC-Spanner umbauen muß, wie man die Unrterlegleisten reinmachen muß...
7. Revisionierung übergeordneter Baugrppen.
Hier der praktische Ablauf – mit PDM und ERP. Man konstruiert, durchaus auch gleich im PDM, alle Daten behalten den Status der Bearbeitung, also unfertig. Hat die Konstruktion die ausreichende Reife erlangt, wird der Status auf „freigegeben“ geändert. Damit informiert das PDM das ERP, übergibt ihm alle Daten mitsamt erfassten Stammdaten. Im ERP können nun interne und externe Aufträge erstellt werden.
Nun stellt ein Fertiger eine Diskrepanz fest, teilt diese der Konstruktion mit. Die prüft und stellt fest, da ist wirklich der Wurm drin. Das PDM erlaubt zwar das Anschauen der Datei, aber nicht mehr das Auschecken oder ändern, schlägt also gleich alternative Vorgehensweisen wie Version, Revision oder Variante usw. vor. Wir wollen eine Revision, die kommt am nächsten hin.
Das PDM kopiert nun die Datei, wobei Teilenummer und Dateiname nicht identisch sind. Das PDM kopiert auch gleich die zugehörige idw und checkt beides an den Konstrukteur aus, der macht die Änderung, füllt in der idw auch die Revisionsliste aus, checkt wieder ein und gibt erneut frei, damit das ERP die gültigen Daten hat. Zudem wird in PDM und ERP der vorherige Stand auf „End of life“ gesetzt. Soweit also richtig.
Beauftragt man nun im ERP das eine Teil, wird man das neueste bekommen. Beauftragt man aber die übergeordnete Baugruppe, so ist die freigegeben, darf nicht geändert werden, was auch für die Stückliste gilt und da steht noch die alte Revision drin. Man bekommt – das alte Teil.
Damit das ERP das neue Teil auch bestellen kann, muß also im PDM die Baugruppe revisioniert und freigegeben werden, dann ist das neue Teil in der Stückliste und wird auch beauftragt. Wenn man Pech hat, ist das ein beliebtes Teil, das 20x verbaut wurde. Das PDM sagte einem auch, wo.
Nun muß man schauen, ob die Baugruppen, die man grad revisioniert hat, auch irgendwo verbaut sind, auch diese übergeordneten Baugruippen müssen revisioniert werden, damit die aktualisierten Baugruppen bestellt werden….
Damit kann man explizit auch einen älteren Stand im ERP beauftragen. Wenn es nötig ist.
Das ist der sog. „Rattenschwanz“. Hat man CAM und dort die Zusammenbauten für jede Aufspannung, müssen auch die aktualisiert werden. Und auch das CAM muß von alledem Kenntnis erlangen. Der Rattenschwanz wird noch deutlich länger.
Das gefiel mir überhaupt nicht, zumal bei mir viel geändert wird. Für mich selbst ging ich daher einen anderen Weg, kopierte immer die ganze Konstruktion mit allen anhängigen Fertigungsdaten. In der Kopie wird geändert, bedarfsweise auch die Fertigung mitgezogen. Wenn also z. B. bei einer Dampfmaschine am Zylinder ein Anguss dazukommt, fließt das auch in die Herstellung der Gußmodelle mit ein, die müssen ja mitsamt CNC-Sachen auch geändert werden, bisweilen muß das Gußteil anders in den Formsand eingelegt werden.
Bei dieser einfachen Kopiertechnik bleiben die Dateinamen und die Pfade gleich, man referenziert nichts um und stellt die Eindeutigkeit an anderer Stelle her. Der Rattenschwanz – ist keiner mehr. Und man hat den vorherigen Stand eingefroren, nach wie vor greifbar, wenn nötig.
Die Technik kann noch ein wenig mehr, so ist es egal, wo die Daten liegen, man kann sie also aufs Notebook – bei mir nach wie vor das Dell M70 – kopieren, mitnehmen und vor Ort ändern, danach kopiert man sie einfach zurück auf den Server mit der nächsten Nummer. Also kein Pack&Go und erst recht kein Unpack&Ungo oder Getue mit Projektdateien.
8. Systemwechsel
Diese Dateiorga von mir ginge auch mit IV heute noch, jedoch kam Autodesk mit dem heillos verunglückten Lizenzsystem, man kaufte noch eine Lizenz im naiven Glauben an eine echte Dauerlizenz nach, um zu erfahren, daß auch die keine Freischaltung mehr bekommt. Damit hatte sich das Thema Inventor, man hatte ohnehin vieles auch wegen des CAM mit SWX gemacht.
Jetzt war es von Vorteil, keine Funktionen von IV genutzt zu haben, die dort ein Alleinstellungsmerkmal sind.
Wenig später landete Microsoft mit Win10 an und den automatischen Updates, man mußte also schon wie bei Win7 den Rechnern den Internetstecker ziehen. Es endete mit Ausnahme von SWX mit dem Umstieg auf Linux und kaskadierter Verschlüsselung einschließlich System. Mein Änderungssystem machte auch diesen Wechsel klaglos mit. Im Job fragte ich mal den Hersteller des PDM, ob es das auch für Linux gäbe. Nein, gibt es nicht. Was dann?
Im Job wollten die CAMler von den Modelländerungen seitens der Konstruktion profitieren, bekommen aber – weil es wohl so sein muß – jedesmal nur Neutralformate und verlieren damit die Geometriebezüge. Und auch in der Konstrutktion wurde ich mit PDM und ERP nicht schneller, das Gegenteil war der Fall. Wenn man nur 100% geistige Leistung hat und diese nicht beliebig potenzieren kann, dann auch noch gut ein Drittel für PDM und ERP draufgehen, weil zu hochwissenschaftlich, dann fehlt dieser Teil in der eigentlichen Konstruktion. Besonders ärgerlich der Niederschlag in der Fehlerrate (Fehlerklassen 1-3, also die Fehler, die man erst in der Montage merkt und sich unbemerkt durchschleichen, auch durch die QS).
Mir persönlich ist mein eigenes Konzept lieber, wenn also eine rückwärtskompatible Änderung eines Teils erfolgt, wird die gesamte Konstruktion (mit CTRL-C und CTRL-V) kopiert und passend benannt. Dann die Änderung gemacht, gegebenenfalls bis hinten in die Fertigungsdaten, die auch mitkopiert werden. Aber ich spare mir die ganze Revisioniererei nebst Rattenschwanz. Dafür ist der Speicherplatzbedarf höher. Dafür wiederum bekomme ich die einfache Datensicherung.
Diese Technik habe ich mir so um 2006 zugelegt, wollte die damals noch recht neue Modellassoziativität bei der parametrischen Variantenkonstruktion nutzen. Und bei Entwicklungen braucht man öfter mehrere Kopien einer Konstruktion, um verschiedene Lösungsansätze auszutesten. Die Konstruktionskopie muß also schnell gehen und die zielführende Lösung anschließend die gültige werden können.
Im Job sagen die (externen) PDM-Profis, daß nur deren Konzept erfolgreich sein könne, die kämpfen aber momentan noch ziemlich mit Problemen, weil das Pflichtenheft, nach dem sie arbeiteten, zwar die Theorie, aber nicht die Praxis mit all ihren Tücken berücksichtigte. Wenn man sich also eine Hintertür offen hält, daß es ohne deren System auch geht und genau das durchblicken läßt, ist die Motivation für eine Lösung sicher höher.
Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP