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Thema: Kunststoff Simulation (8565 mal gelesen)
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Pete81 Mitglied Entwicklungsingenieur
Beiträge: 61 Registriert: 04.11.2005 Catia V5 R19, HPxx4600 Workstation 64bit
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erstellt am: 20. Mrz. 2006 13:25 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:
Hallo, ich stehe gerade vor meiner Diplomarbeit, in der ich u.a. eien FEM-Berechnung eines Kunststoff-Spritzgussteils hinsichtlich der Festigkeit machen muss. Der Werkstoff ist PA6-GF30, also kurzfaserverstärkt. Jetzt stehe ich vor der Frage der Materialeigenschaften. Ich habe jetzt aus mehreren Quellen verschiedene Ansätze gehört. Einmal wird gesagt, dass die Glasfasern völlig regellos in dem Werkstoff vorliegen, das Verhalten nach außen dadurch also "quasiisotrop" ist. Andere Quellen sprechen von Anisotropie durch bestimmte Ausrichtung der Glasfasern, die beachtet werden muss, z.B. durch die Anwendung von Simulationen wie Moldflow. Ich weiß allerdings nicht, ob so eine Analyse im Rahmen meiner DA finanziell machbar wäre. Wer hat auf diesem Gebiet Erfahrung und kann mir da vielleicht weiterhelfen, wie ich das Material definieren sollte, damit möglichst guet Ergebnisse bei der Berechnung rauskommen können. Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Goldstein Mitglied
Beiträge: 970 Registriert: 21.01.2005
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erstellt am: 20. Mrz. 2006 14:42 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben: Nur für Pete81
Hi ich beschäftige mich schon länger mit der Auslegung von Kunststoffbauteilen, vorzugsweise PA6GF30. Das Material wird gerne im Motorbereich verwendet, z.B. für Ansauganlagen. Es ist gut verschweißbar, hitze- und ölbeständig Bzgl. der Glasfaserorientierung kann man folgendes sagen: Eine regellose Orientierung findet sich in den seltensten Fällen. Vielmehr richten sich die Fasern im Bauteil prozessbedingt aus, und dies sowohl in der Fläche als auch über der Wanddicke. Beispielsweise folgt die Faserorientierung in der Nähe der Werkzeugwand der Strömungsrichtung (bedingt durch die hier vorherrschende Scherströmung); in der Wandmitte liegen die Fasern dagegen parallel zur Fließfront (bedingt z.B. durch Dehnströmung rund um Anguss). Die o.g. Faserorientierung findet sich auch in Schliffbildern wieder und gilt insbesondere fürs PA6GF30. Bzgl. der Festigkeit spielt die Faserorientierung eine entscheidende Rolle. In Faserrichtung findet sich in erster Näherung die von den Rohstoffherstellern angegebene Zugfestigkeit (s. Datenbank Campus). Senkrecht zur Faserorientierung liegt dagegen fast nur die Festigkeit des unverstärkten Grundmaterials vor (etwa Bindenähte, Schweißnähte). Für eine möglichst exakte Festigkeitsrechnung müsste die Faserorientierung Berücksichtigung finden. Gängige kommerzielle Programme, wie Moldflow oder Moldex, sind offensichtlich durchaus auch in der Lage die Faserorientierung zu bestimmen und auch in Form von anisotropen Steifigkeiten zu exportieren. Was aber fehlt ist ein gescheites Versagensmodell für den Kunststoff. Ich kenne zumindest keine kommerzielle Lösung hierzu. Ganz anders sieht es bei den Rohstoffherstellern selbst aus. Hier scheint man das Problem mit den Versagensmodellen in Angriff genommen und gelöst zu haben (zumindest gibt es Veröffentlichungen in der einschlägigen Fachpresse in diese Richtung). Leider wird das gewonnene Knowhow unter Verschluss gehalten. Materialmodelle sind hier nicht zu erhalten. Weitere wichtige Einflussparamter für die Festigkeit vom PA6GF30 sind : 1) Zug-Druck-Assymetrie (Druckfestigkeit ist um etwa 25% höher) 2) Feuchtegehalt. PA nimmt Feuchte z.B. aus der Luft auf. Die Festigkeit nimmt in nicht unerheblichem Masse ab mit zunehmender Feuchte. 3) Selbstverständlich Temperatureinfluss 4) Dehnrate ! Belastungsgeschwindigkeit ist sehr wichtig. 5) Bindenähte und Schweißnähte haben reduzierte Festigkeit 6) Heißwasserkontakt (Kühlerbereich) führt zu Hydrolyse. Festigkeit verschwindet Falls Du nur wenig Zeit und Mittel investieren willst in Dein Problem: quasiisotrop rechnen, vMises-Spannungen auswerten und halbem Versagenswert aus Broschüre, Datenbank etc. gegenüberstellen (Feuchte und Temperatur beachten) Viel Erfolg
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Pete81 Mitglied Entwicklungsingenieur
Beiträge: 61 Registriert: 04.11.2005 Catia V5 R19, HPxx4600 Workstation 64bit
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erstellt am: 20. Mrz. 2006 15:47 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:
Hallo, danke für die schnelle und ausführliche Antwort. Zeit kann ich gerne in die Materialdarstellugn investieren, die Mittel könnten das Problem sein. Welche Möglichkeiten habe ich denn außer einer (z.B.) Moldflow-Analyse die Anisotropie zu berücksichtigen, also quasi "von Hand"? Kann man da etwas machen? Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Goldstein Mitglied
Beiträge: 970 Registriert: 21.01.2005
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erstellt am: 21. Mrz. 2006 09:52 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben: Nur für Pete81
Hallo Pete ohne Kenntnis der Faserorientierung kannst Du die Anisotropie nicht berücksichtigen. Denkbar ist, für extrem einfache Geometrien (Stäbe, Platten...) die Faserorientierung gedanklich abzuschätzen, eben aus der Überlegung wie die Schmelze durch die Kavität strömt. Vermutlich ist Dein Problem komplexer,oder ? Ohne eine Füllsimulation wirds also wohl kaum gehen, aber woher nimmts Du das Versagensmodell, das Orientierungsgrad, Temperatur, Feuchte etc. berücksichtigt. Die Schnittstellen von Moldflow,Moldex etc. zu Abaqus kenne ich nicht. Sie dürften aber bestenfalls linear orthotropes Materialverhalten abbilden. Zur Festigkeitsrechnung eignet sich sowas nur bedingt. Erfahrungsgemäß wird die wahre Bauteilfestigkeit immer unterschätzt. Man liegt zwar auf der sicheren Seite, ist aber nicht gewichtsoptimal. Du müsstest eigentlich auch Messwerte für das PA haben, zB aus Zugversuch bei Variation der Einflussparameter Orientierung, Temp.,etc.. Wie willst Du ohne diese Infos ein Versagensmodell erstellen. Für einen Studenten erscheint mir die Aufgabe "anisotrope Festigkeit" im Rahmen einer Da, nur auf dem Papier und ohne experimentelle Unterstützung seriös nicht machbar. Strategisch betrachtet würde ich zunächst versuchen die Meinung des Profs zu diesem Thema zu ermitteln und dann in die entsprechende Richtung weiterarbeiten. Grüße
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Pete81 Mitglied Entwicklungsingenieur
Beiträge: 61 Registriert: 04.11.2005 Catia V5 R19, HPxx4600 Workstation 64bit
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erstellt am: 29. Mrz. 2006 10:03 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:
Also, die FEM-Berechnung soll nur ein Teil der Arbeit sein. es geht hierbei um den Vergleich zweier Varianten eines Bauteils. Deswegen ist der Aufwand, der für eine anisotrope Berechnung zu treiben ist, wohl nicht berechtigt. Die Arbeit soll ja nicht im speziellen diesen Sachverhalt untersuchen. Zumindest qualitativ sollten doch auch bei isotroper Rechnung brauchbare Ergebnisse zu erwarten sein, mit denen beide Varianten verglichen werden können, oder? Mann müsste doch dann die Werkstoffparameter mit Faktoren abmindern können. Die nächste Frage, die sich dann stellt, ist welches Materialmodell ich am besten benutze. Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Goldstein Mitglied
Beiträge: 970 Registriert: 21.01.2005
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erstellt am: 01. Apr. 2006 19:34 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben: Nur für Pete81
Hi die klassische Vorgehensweise (einfach, führt aber zu leicht überdimensionierten Bauteilen) geht so: ich gehe davon aus, Du hast eine Struktur, welche Du kurzzeitig durch eine Kraft belastest. Große Deformationen und Drehungen schließe ich zunächst mal aus ( wg. geom. Nichtlinearität). Ich würde nun zunächst mal einen E-Modul von 3 GPa ansetzen (23°C) und das ganze Problem in Abaqus durchrechnen. Dann Mises-Spannungen anschauen und kritische Werte extrahieren (Spannungen sind Kraft pro Fläche, und damit in erster Näherung materialunabhängig). Sehr lokale Spannungsspitzen an scharfen Kanten etc. vernachlässigen. Spannungen sollten sich schon über einen etwas größeren Bereich erstrecken. Diese berechneten Maximalwerte der Misesspannung sind zu vergleichen mit 50% bis max. 70% der Versagenswerte, die man in einschlägigen Materialdatenbanken (zB Campus) findet. Hintergrund: Die Kennwerte der Rohstoffhersteller werden an spritzgegossenen Probekörpern mit hochgradiger Faserorientierung bestimmt. Möchte man isotrop rechnen die die gegebenen Werte eben abzumindern. Wie gesagt, dies ist die einfachste Methode ein Plastikteil nachzurechnen. Gewichtsoptimal wirds dann aber nicht. Tip noch: Möglichst Bindenähte in den hochbelasteten Zonen vermeiden. Hier hast Du bestenfalls die Festigkeit des unverstärkten Matrixwerkstoff. Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
floko Mitglied
Beiträge: 2 Registriert: 17.07.2015
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erstellt am: 17. Jul. 2015 13:44 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben: Nur für Pete81
Hallo, ich stehe nun vor einem ganz ähnlichen Problem und hoffe, dass dieser Thread noch nicht all zu verstaubt ist. Ich habe die Aufgabe Anhand der (rein grafischen) Ergebnisse einer Spritzgusssimulation mit Moldex die Bewertung einer isotropen Strukturberechnung eines Bauteils ebenfalls aus PA6-GF30 durchzuführen. Salopp gesagt soll dabei die Ergebnisse aus der Spritzgusssimulation bzgl. Faserorientierung und dem Orientierungsgrad als Folie über die isotrope Strukturrechnung gelegt und anhand dessen lokale Festigkeitseigenschaften abgeleitet werden. Die Berechnung der UD-Steifigkeiten (nach Halpin-Tsai) stellt dabei kein Problem dar, jedoch weiß ich nun nicht so recht, wie ich die lokalen Steifigkeiten aus der Faserverteilung ableiten soll. Moldex gibt mir leider als Orientierunggrad nur den größten Eigenvektor des Orientierungstensors nach Folgar-Tucker und den zugehörigen Eigenvektor als lokale Hauptfaserorientierung wieder. Kann ich aus diesen Angaben in irgendeiner weise die lokale Steifigkeit näherungsweise berechnen? Grüße und schonmal besten Dank für jede Antwort, Floko Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Pam Crash Moderator Moderator
Beiträge: 434 Registriert: 29.04.2008
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erstellt am: 19. Jul. 2015 07:30 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben: Nur für Pete81
Schalen- oder Volumenmodell ? Da die Netze für Füllsimulation und Mechanik i.d.R. nicht identisch sind müsstest Du den Faserorientierungstensor auf das Mechaniknetz mappen. Programme wie Converse oder Digimat leisten das. Mit den rein grafischen Ergebnissen (Füllbild etc.) kannst Du wenig anfangen da sich die mechanischen Eigenschaften über der Dicke ändern ------------------ Pam Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
floko Mitglied
Beiträge: 2 Registriert: 17.07.2015
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erstellt am: 20. Jul. 2015 12:11 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben: Nur für Pete81
Hey, zunächst Danke für die schnelle Antwort! Ich rechne mit einem Schalenmodell (sowohl Struktur als auch Spritzguss). Die Strukturrechnungen sollen (aus welchen Grund auch immer das so beschlossen wurde) weiterhin isotrop durchgeführt werden. Demnach würde mir ein Mappen der Orientierungen nicht viel bringen denke ich. Die unterschiedlichen Eigenschaften über der Dicke sind vermutlich weniger das Problem, da ich mit Moldex in unterschiedlichen Layern über der Dicke rechnen und dadurch die einzelnen Faserorientierungen über der Dicke berücksichtigen kann. Man stellt sich das ganze etwa so vor: Man will die Faserorientierung aus Moldex wie eine Art Folie über die Spannungen/Spannungsrichtungen der isotropen Strukturrechnung legen und daran abschätzen, ob man ggf. überdimensioniert hat.
Mein Ansatz wäre nun gewesen, dass ich die (optische) Hauptfaserorientierung zusammen mit dem Orientierungsgrad aus Moldex in eine mittlere Steifigkeit umrechne. Anhand der Steifigkeiten kann dann aus dem geringsten auftretenden E-Modul (in der Schichtweisen Untersuchung) irgendwie eine untere Spannungsgrenze für die isotrope Strukturrechnung berechnet werden (Frage ist hier welche Grenzwerte für die Dehnung angenommen werden müssten). Die Stellen, an denen die Spannungsgrenze in der isotropen Rechnung überschritten wird müssen dann bzgl. der Faserorientierung und Spannungsrichtung untersucht werden. Klingt das wenigstens plausibel? Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
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