Hallo,
da liegt ein Missverständnis vor; die von einem Bauteil ertragbaren Spannungen werden nicht (im Allgemeinen) durch die Streckgrenze begrenzt:
Die Spannungsdehnungskurve wird im eindimensionalen Spannungsfall ermittelt. Jede Spannung hier verursacht auch eine Formänderung, Hydrostatische (also in allen Richtungen gleiche) Spannungen treten hier nicht auf.
Im 3D-Fall dagegen gibt es eine Überlagerung des (volumenändernden, aber formerhaltenden) hydrostatischen Spannungsanteils und des (volumenerhaltenden, aber formändernden) deviatorischen Spannungsanteils.
s=s_dev-p, p=-1/3*tr(s), wobei p der hydrostatische Druck ist, tr bedeutet Spur
Die hydrostatischen Spannungen erzeugen dabei KEINE plastischen Dehnungen, sondern erhöhen den Anteil elastischer Dehnungen. Dies ist sehr gut nachgewiesen und in der Software auch umgesetzt.
Abgesehen davon, dass eine Trennung der beiden Anteile im Materialgesetz benutzt wird, ist sicher bekannt, dass die von-Mises-Vergleichsspoannung mit der jeweils aktuellen Streckgrenze verglichen wird, um zu bestimmen, ob Fließen stattfindet.
Die von-Mises-Hypothese liefert dabei ein Werkzeug, dass den 3-Dimensionalen Spannungsfall auf den 1-Dimensionalen Spannungsfall abbildet:
s_v.mises=(1/2((s11-s22)^2+(s22-s33)^2+(s33-s11)^2+6(t12^2+t23^2+t31^2))^)^(1/2)
(sii sind Normalspannungen, tij Schubspannungen; Formel aus dem Kopf, da kann der ein oder andere Fehler drin sein)
Die hydrostatischen Spannungen werden im von-Mises-Kriterium einfach ausgeblendet. Das kann man selber ausprobieren, indem man mal
s1=s2=s3, t12=t13=t23=0 in das von-Mises-Kriterium einsetzt. Das Ergebnis ist 0.
Oder man nimmt einen Würfel und beaufschlagt von allen Seiten (also hydrostatisch) mit eine sehr hohe Spannung (z.B. 100 GPa). Dann erhält man hohe elastische Dehnungen, keine plastischen Dehnungen und die zu erwartende Spannung.
zur Einführung empfehle ich:
Mechanisches Verhalten der Werkstoffe
(Joachim Rösler, Harald Harders, Martin Bäker)
Vieweg+Teubner; Auflage: 3., durchges. u. korr. Aufl. (28. Juli 2008)
Das ist übrigens ein sehr übliches Missverständnis.
beste Grüße
Moritz
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Moritz Oliver Gebhardt
[Diese Nachricht wurde von MGebhardt am 03. Jan. 2011 editiert.]
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