Guten Morgen!
Letztens hatten wir einen Thread über ein verwandtes Thema: Oberflächenangaben.
Zitat:
Original erstellt von Martin L:
....mir ging es schon speziell um die typischen 'ungeschriebenen Gesetze', welche man hierzulande erwartet (und in der Regel auch erfüllt werden) im Gegensatz zu Lieferanten, welche der Einkauf dank global sourcing aufgetan hat......
Diese "ungeschriebenen Gesetze" sind nichts weiter als ein mindestens ausreichendes Fachwissen in Theorie und Praxis sowie die Anwendung desselbens während der gesamten Auftragserfüllung.
Zitat:
Original erstellt von Martin L:
...ob weitere 'Grundregeln' auf die Zeichnung müssen, damit zumindest der Konstrukteur nicht mehr den schwarzen Peter in der Hand hat wenn aus was-weiss-ich-woher wieder mangelhaft gefertigte Komponenten kommen...
Der Konstrukteur steht in der Pflicht, dem Fertiger alle Besonderheiten aufzuzeigen, die hinweisbedürftig sind. Hinweisbedürftig ist beispielsweise die Verwendung eines bestimmten Fertigungsverfahrens, wenn es mehrere gäbe, die angewendet werden könnten, die aber nicht angewendet werden sollen.
Beispiel: Löcher und Durchbrüche dürfen in für die Luftfahrt bestimmte Bauteile im Regelfalle nicht gelasert oder gestanzt werden, um das Einbringen von Spannungen bzw. Gefügeveränderungen in die Werkstücke auszuschliessen. Jedes Loch wird gefräst, egal wie teuer das ist!
Dann gibt es noch den kosmetischen Gesichtspunkt. Durch verschiedene Herstellungsverfahren im Zuschnitt ergeben sich von der Optik her unterschiedliche Ergebnisse, die aber alle fachgerecht ausgeführt sein können. Beispiel: Eine genibbelte Kontur weist in regelmässigen Abständen minimale (aber sichtbare) Ansätze auf.
Ein typischer Streitfall wären genibbelte Ausbrüche für Displays in einer Frontplatte. Ob die durch das Nibbeln entstandene Sichtkontur in Ordnung ist, das ist eine Frage des ästhetischen Empfindens und muss von der Konstruktion vorgegeben werden.
Wenn die Ausbrüche vom montierten Display abgedeckt werden: Egal! Falls allerdings das Display von Hinten eingebaut wird und der Ausbruch voll sichtbar bleibt: Ganz schlechte Optik, aber trotzdem fachgerecht angefertigt!
Abhängig vom Kenntnisstand wird ein Werkstück entstehen. Wenn nur wenige Informationen vorliegen, können auch nur begrenzt eventuelle Problemfälle rechtzeitig erkannt werden.
Der Fertigungsbetrieb kann sich nach diesen "Kleinigkeiten" erkundigen, er muss aber nicht. Ebenso kann der Fertigungsbetrieb den Auftraggeber auf eine "ungünstige" Konstruktion oder Konstruktionsfehler hinweisen und Alternativen aufzeigen, er muss aber nicht.
Es gibt Fertiger, deren Mitarbeitern es untersagt ist eine entsprechende Eigeninitiative an den Tag zu legen. Nicht zu vergessen die Kunden, die äusserst irritiert auf solche Hinweise des Fertigers reagieren können (...Wieso rufen die hier an, die haben doch die Unterlagen! Haben die keine Ahnung?....)
Es ist nicht Aufgabe des Konstrukteurs den Fertiger auszubilden. Wenn ein Auftrag von ungelernten Kräften oder Hilfsarbeitern durchgeführt wird, spiegelt sich das für gewöhnlich im Ergebnis wieder. Da kann auf der Zeichnung stehen was will.
Insgesamt ist es nicht möglich, alle erdenklichen produktiontechnischen Fehlverhalten durch Angaben auf der Zeichnung auszuschliessen.
Es gibt genügend grenzwertige Fälle, die für Ärger sorgen können. Woher soll eine Dorfschlosserei (egal, ob auf einem Deutschen oder Chinesischen Acker gelegen) wissen, dass ein extrem zu kleiner Biegeradius bei ChromNickelStählen (Edelstählen) wie 1.4301 zu Gefügeveränderungen mit dem Risiko der Rostbildung führen kann?
Rohmaterial kann leichte Spannungen haben,leichte Kratzer oder leichteste Wellen/Beulen. Das Auge kann im Gegenlicht Verformungen sehen, die allerkleinst und unfühlbar sind. Wie soll man sowas ausschliessen?
Ist von einem Anbieter, der 40% unterhalb des Durchschnittspreises liegt, beste Qualität zu erwarten?
Das ist IMHO nicht drin. Es ist schon in Deutschland problematisch, bei "Billigstheimern" einzukaufen. Bei heiklen Fällen wie grösseren Stückzahlen hilft nur, sich vorweg Muster bauen zu lassen und lieber einige Seiten mehr zum Auftrag zu schreiben.
Wenn es aber doch wasserdicht sein muss, kann man es wie in der Zulieferindustrie der Luftfahrtbranche regeln: Da ist es üblich, zusammen mit den Zeichnungen ein ca. daumendickes Regelwerk über die Verarbeitungsvorschriften zu erhalten. Es wird lückenlos dokumentiert, was zu sein hat und was nicht sein darf. Dieser Aufwand muss zwingend betrieben werden, wenn hochwertige Qualität auch zu Dumpingpreisen eingekauft werden soll.
Es könnte aber auch dazu führen, dass keine "global Dumpingangebote" mehr kommen, weil selbst zu Weltmarktpreisen keine Qualität zum Schleuderpreis gefertigt werden kann.
Gruss Andreas
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