Vorgeschlagene Verfahrensweise zur Erzeugung von Evolventenverzahnungen (drei Methoden)


Sehr oft wird von den Anwendern die Frage gestellt, wie man Zahnradgeometrien mit Pro/ENGINEER modelliert . Von besonderem Interesse sind Evolventenverzahnungen. Die meisten Schwierigkeiten entstehen bei dem Versuch die mathematischen Formeln abzuleiten und dann diese Formeln entsprechend geometrisch umzusetzen. Ein Beispiel hierfür ist die Anwendung der Evolventenfunktion für die Erzeugung der Zahnflanken. Oft sind die erzeugten Modelle geometrisch richtig, aber sehr umständlich (enthalten zu viele Konstruktionselemente), oder sind nur sehr eingeschränkt parametrisiert– nur wenige Parameterkonfigurationen erzeugen eine regenerierbare Geometrie. Dabei ist Pro/ENGINEER mit seinem vollparametischen Ansatz gerade das idealste CAD System für die Ausführung solcher Aufgaben.

Um Abhilfe zu schaffen, werden wir auf die Problematik der Evolventenverzahnung eingehen und ein paar der möglichen Vorgehensweisen vorstellen.


Beziehungen und Parameter

Als erstes werden einige Parameter und Beziehungen definiert. Daraus werden die entsprechenden Bemassungen abgeleitet. Die Formeln sind aus Gründen der Vereinfachung nur für Geradverzahnungen ohne Profilverschiebungen aufgestellt, können aber später erweitert werden.

Parameter:
MODUL als Real Parmeter, und ANZAHL_ZAEHNE als Integer
Beziehungen:
EVELVENTEN_ERZEUGUNGS_WINKEL =45

KOPFSPIEL=0.167*MODUL

TEILKREIS_TEILUNG = MODUL*PI

/*Eingriffswinkel

ALPHA_EINGRIFF = 20

TEILKREIS_DURCHM = MODUL*ANZAHL_ZAEHNE

FUSSKREIS_DURCHM = TEILKREIS_DURCHM - 2*(MODUL+ KOPFSPIEL)

KOPFKREIS_DURCHM= MODUL*( ANZAHL_ZAEHNE+2)

GRUNDKREIS_DURCHM = TEILKREIS_DURCHM *cos(ALPHA_EINGRIFF)

WINKEL__HALFTE_ZAHN = 360*( TEILKREIS_TEILUNG/4)/(PI* TEILKREIS_DURCHM )



Erzeugung der Bezugskurven

Die Kurven für den Grundkreis, Fusskreis, Teilkreisdurchmesser und Kopfkreisdurchmesser werden erzeugt:

Bild1

Folgende Beziehungen werden hinzugefügt:

D0=GRUNDKREIS_DURCHM

D1=FUSSKREIS_DURCHM

D2=KOPFKREIS_DURCHM

D3 =TEILKREIS_DURCHM

Hier sind D0 bis D3 die speziell für diesen Anwendungsfall gültigen Bemaßungsnamen. Die bis hierher durchgeführten Schritte werden von allen weiteren Modellierungsoptionen verwendet und auch vorausgesetzt.



Die Vereinfachte Modellierung

(Datei zum Download)

Das Ziel ist ein Zahnrad mit möglichst wenigen KEs zu erzeugen. Dafür wird ein Graph als Bezugsprofil verwendet. Die Geometrie der Verzahnung wird in dem Graph abgebildet. Dabei wird nur ein Bezugszahn im Graph erzeugt und dann mit Hilfe der floor() Funktion gemustert. Es wird nur eine grobe Vereinfachung der Geometrie erzeugt ausgehend von dem Bezugsprofil für die Zahnraderzeugung – Trapezprofil mit 30° Flankenwinkel.

  1. Erzeugung des 2D Graph „Bezugsprofil" siehe Abbildung 2.

    Bild2

  2. Hinzufügen von weiteren Beziehungen speziell für diesen Graph: HALBE_TEILUNG = TEILUNG/2
    TIEFE_ZAHN = ZAHN_TIEFE
    ZAHN_HOEHE=(KOPFKREIS_DURCHMESSER -TEILKREIS_DURCHMESSER)/2
    EINGRIFF1= EINGRIFFSWINKEL
    EINGRIFF2= EINGRIFFSWINKEL
  3. Erzeugen von KE „Fläche": Ziehen mit variablen Schnitten, Drehrichtung" wie im Bild3 dargestellt

    Abbildung 3

    Hier ist die Leitkurve irgendeine Kreiskurve coaxial zu dem Mittelpunkt z.B. FUSSKREIS oder Grundkreisdurchmesser. Die Ebene für die Normalrichtung ist die Ebene in der die Fläche liegt. Damit die Fläche diese Gestalt (Bild3) annimmt, sollten folgende Skizzierbeziehungen definiert werden: delta = (trajpar*ZAEHNE_ZAHL - floor(trajpar*ZAEHNE_ZAHL))*TEILUNG
    sd4= evalgraph("Bezugsprofil",delta)+TEILKREIS_DURCHMESSER/2 -D13/2
    In diesem Fall ist D13 die Durchmesserbemassung der Leitkurve.
  4. Von dieser Fläche kann jetzt ohne Probleme ein Körper erstellt werden. ( z.B. durch Aufdicken oder duch die Benutzung der Berandung in Profilkörpern)
Diese Methode kann in dieser Form verwendet werden, wenn die exakte Geometrie der Evolvente nicht unbedingt von entscheidender Rolle ist z.B. Räder aus Gummi, wo durch die Verformung (Dämpfung) die exakte Evolventenfunktion wenig Sinn macht.

Die Methode kann aber weiter präzisiert werden indem man den Graph exakter konstruiert. z.B. kann der Graph als Spline oder Konischer Bogen konstruiert werden,wo spezielle Punkte unter Beachtung folgender geometrischer Bedingungen bemasst werden:

    • Zahndicke am Kopfkreis (siehe unten Zahndicke Funktion)
    • Zahndicke am Grundkreis + Tangentialität zu dem Eingriffswinkel ( am Grundkreis soll der Spline/konsche Bogen mit der Vertikalen den Eingriffswinkel bilden).
Der konische Bogen ist dabei zu empfehlen, da durch die Änderung des Krümmungsradius die Ergebnisse weiter angepasst werden können, so daß schiesslich eine Evolvente mit 99% tiger Übereinstimmung erzielt werden kann.
Die „Standard" Modellierung:

(Datei zum Download)

Diese Methode wird als „Standard" bezeichnet, weil dieser Ansatz am häufigsten werwendet wird
 

  1. Erzeugen von einem Solid Korper aus der Kopfkreiskurve ("Nutze Kante")
     
  2. Folie erzeugen:
     
    • "Zahn_bezug" mit Standardfolien Typ DATUM
    • "Evolventen" mit Standardfolien Typ Kurve
       
  3. Erzeugen einer Achse (hier A_1) durch den Schnitt der Standardebenen DTM1 und DTM2
  4. Erzeugen der EBENE DTM4 durch die Achse (3.) und mit Winkel zur Standardebene DTM1 (z.B. 20°)
  5. Erzeugen der Achse (hier A_2) zwischen den zwei Ebenen DTM 3 und die Ebene DTM4 (4.)
  6. Erzeugen es koordinatenssystems EVOLVENT mit Z-Achse durch die Achse A_1 (3.) und X-Achse durch die Achse A_2 ( 5.)
  7. Erzeugen der zweiten Ebene DTM5 duch die z-Achse und im Winkel zu der Ebene DTM4 (4.) =>Winkelmass = d6 (Abbildung 4)

    Abbildung 4

  8. Erzeugen der Evolventenkurve => Kurve erzeugen, Math. Gleichung verwenden, wählen Sie das Koordinaten System "EVOLVENT", Zylinder Koordinaten.
  9. FORMEL eingeben
    z=0

    involvent_winkel = t*EVOLVENTEN_ERZEUGUNS_WINKEL

    theta = tan(involvent_winkel)*180/PI- involvent_winkel

    r= (GRUNDKREIS_DURCHM /2) / cos(involvent_winkel)

  10. Spiegeln der Evolventenkurve : #Konstr Element,#Kopieren,#Spiegeln,#Abhaengig und Selektieren die Ebene DTM5 (7.)
  11. Skizzieren des Hinterschnittes am Zahnfuss. Die Form des Hinterschnittes ist fallspezifisch z.B. eine Rundung. Hier wurde das Profil einfach abgeschrägt =>mit Skizzenbeziehung sd35=sd23*0.8
  12. Erzeugen des Materialschnittes unter der Verwendung der Kurve, erzeugt in (11.) siehe Abbildung 5:
     


     

    Bild5

  13. Erzeugen einer lokalen Gruppe beginnend von der Ebene in 8.) und alle Konstruktionselemente bis zum Ende umfassend. Mustern der Localgruppe über die Bemassung "d3"
  14. Hinzufügen der folgenden Beziehungen:
    D6=WINKEL__HALFTE_ZAHN

    D87=WINKEL__HALFTE_ZAHN*4

    P88=ANZAHL_ZAEHNE

  15. Die Folien "Zahn_bezug" und "Evolventen" können jetzt ausgeblendet werden. Auf Abbildung 6 wird das fertige Zahnrad dargestellt.
     


     

    Abbildung 6


Ein weiterer Modellierungsansatz ueber die „Zahndicke Funktion"

(Datei zum Download)

Diese Modellierungsmethode liefert eine effizientere geometrische Lösung als die „Standard Methode". Hierfür benötigen wir die Funktion der Zahndicke in Abhängingkeit von dem Abstand zum Zentrum des Zahnrades. Das folgende mathematische Modell können wir aufstellen:

alpha = acos(radius_grundkreis/RY)

env_eingriff = tan(ALPHA_EINGRIFF) – ALPHA_EINGRIFF *PI/180

/*oben ist ein konstanter Ausdruck

env_alpha = tan(alpha) -alpha*PI/180

ZD(RY) = 2*RY*(dicke_teilkreis/(2*radius_teilkreis) +env_eingriff-env_alpha) Hier ist der Eingangsparameter RY Abstand zum Zentrum und ZD ist die Zahndicke. Standardmässig ist der Eingriff_Winkel = 20°. Aus Gründen der Einfachheit wurde hier auch nur der Fall gerader Verzahnung ohne Profilverschiebungen berücksichtigt.

  1. Als Erstes werden  die Beziehungen (siehe „Beziehungen und Parametern") erweitert:
      dicke_teilkreis = modul*PI/2

      radius_teilkreis=TEILKREIS_DURCHMESSER/2

      radius_grundkreis = GRUNDKREIS_DURCHMESSER/2

      env_eingriff = tan(EINGRIFFSWINKEL) -EINGRIFFSWINKEL*PI/180

  2. Erzeugen eines Volumenkörper aus der Fusskreiskurve ("Nutze Kante")
  3. Folie erzeugen:
    "Zahn_bezug" mit Standardfolientyp DATUM
  4. Erzeugen der EBENE DTM1 durch den Zylinder (Volumenkörper in 2.) und mit Winkel zu der Standardebene RIGHT (zum Beispiel 30°). Siehe Abbildung 7

    Abbildung 7
  5. Erzeugen eines neuen KE :Körper:Ziehen mit variablen Schnitten,Drehrichtung
    Als Normalrichtung wurde die planare Fläche des Fusskreiszylinders verwendet.

    Die Leitkurve wurde entlang der Zahnhöhe definiert (Richtung wachsender Radius). Sie wurde ein wenig länger als die Zahnhöhe definiert, beginnt also bevor das Grundkreisradius erreicht wurde. Siehe Abbildung 8.

    Abbildung 8

  6. Für die Steuerung der Zahndicke entlang der Leitkurve wurden im Skizziermodus folgende Beziehungen definiert:
    RY = D38+trajpar*(KOPFKREIS_DURCHMESSER/2-D38)

    if RY < radius_grundkreis

    RY = radius_grundkreis

    endif

    alpha = acos(radius_grundkreis/RY)

    env_alpha = tan(alpha) -alpha*PI/180

    sd9 = 2*RY*(dicke_teilkreis/(2*radius_teilkreis) +env_eingriff-env_alpha)

    Hier ist D38 der Abstand zwischen dem Zentrum des Zahnrades und dem Start der Leitkurve. Die Grösse von D38 spielt kaum eine Rolle, solange sie kleiner als der Kopfkreisdurchmesser ist. Sd9 ist die Bemassung für die Zahndicke.
  7. Abrunden der Kanten zwischen der Fusskreiszylindermantelfläche und den Flächen der Zahnflanken – ein KE -> Rundung für die beiden Kanten.
  8. Erzeugen einer Lokalen Gruppe beginnend von der Ebene DTM1 (in 4.) und alle Konstruktionselemente bis zum Ende umfassend. Mustern der Lokalen Gruppe über die Winkelbemassung der Ebene DTM1 hier "d37"
  9. Hinzufügen von weiteren Beziehungen, um die Anzahl der Muster und deren Inkrement zu steuern:
    d44 = 360/ZAEHNE_ZAHL

    /* Inkrement Winkel.

    p45 = ZAEHNE_ZAHL

    /* Anzahl der Muster in dieser Richtung.


    Abbildung 9

Man kann sehen, dass die Geometrie um einges einfacher als die vorherige Modellierungsmethode ist. Auch ein Vergleich der Regenerierungszeiten ergibt etwa 2 bis 3 facher bessere Performance bei gleicher Geometrie.

Die hier vorgestellte Modellierungsverfahren wurde nur für gerade (Null) Verzahnung konzipiert. Es ist aber ohne grossen Aufwand möglich diese zu erweitern, um auch Schrägverzahnung mit Profilverschiebungen modellieren zu können.



Die Automatisierungsmöglichkeiten

Wenn die Geometrie des Zahnrades fertig ist, dann ist die ganze Arbeit getan. Auf Grund des vollparametrischen Verhaltens vom Pro/ENGINEER ist es möglich mit wenigen Parameteränderungen eine komplette Erzeugnisspalette abzudecken. Es ist aber auch wichtig die Schnittstelle zwischen Modellentwickler und Modellanwender zu stellen. Der Modelanwender braucht nicht die komplexe Geometrie zu kennen. Er benötigt lediglich nur ein Paar Werte einzugeben um das gewünschte Produkt zu bekommen. Um das zu realisieren bestehen folgende Möglichkeiten (nur kurz angeschnitten):

  1. Nur die Parameter, mit denen der Anwender arbeiten soll, können in einem Layout deklariert werden – Layout Tabelle. Die Eingabe kann weiter durch Vereinfachte Darstellungen, 2D Skitzzen und Snapshots von Modelansichten unterstützt werden.
  2. Erzeugung eines Pro/PROGRAMs und deklarieren der, für den Anwender relevanten Parameter, als Inputparmeter. Bei jeder Modellregenerierung werden diese Parameter automatisch abgefragt. z.B.:
     
      INPUT

      MODUL NUMBER

      „MODUL für das Zahnrad eingeben:"

      ANZAHL_ZAEHNE NUMBER

      „Anzahl der Zähne eingeben"

      END INPUT
       

  3. Pro/J-Link und Pro/Web.Link. Hier können die Parameter mit Hilfe von konfortablen Eingabemasken eingegeben werden. Die Programmierung von solchen Eingabemasken ist sehr arbeitsintensiv. Hier besteht aber die Möglichkeit die Anwenderangaben zu überprüfen und Fehler bei der Eingabe abzufangen, so daß ein korrektes Modell erzeugt wird. Auch erwähnenswert ist, daß Pro/J-Link auf Java basiert. Deswegen kann man mit Pro/J-Link jede beliebig komplexe Berechnung programmieren bzw. aus anderen Programmiersprachen (C, C++) portieren. So ist es möglich die Zahnradberechnung und Zahnrad-Modellierung in einem Pro/ENGINEER Modell zu realisieren.