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Thema: Hilfe bei großen Scherverformungen (1628 mal gelesen)
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refugee Mitglied Student
 Beiträge: 3 Registriert: 30.05.2006
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erstellt am: 30. Mai. 2006 10:42 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:         
Hallo, ich brauche Hilfe bei folgenden Formulierungen: - Wie definiert man in einfachen Worten "große Scherverformung", insbesondere im Unterschied zu "kleinen Verformungen"? - Was beschreibt der Deformationsgradient? - Was ist die "Materialverdrehung"? Ich weiß, das findet man in Büchern, aber vielleicht kann jemand zu jeder Frage ein paar einfache Antworten geben? Vielen Dank! Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
JPietsch Moderator Administrator PDMLink
       
 Beiträge: 5611 Registriert: 12.09.2002 Windchill PDMLink 11.1 M020 Creo Parametric 8.0.2.0 (produktiv) Creo Parametric 9.0.0.0 (Test) SimuFact Forming 2022
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erstellt am: 30. Mai. 2006 11:34 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für refugee
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Martin Stumvoll Mitglied Berechnungsingenieur
 
 Beiträge: 169 Registriert: 21.09.2005 MSC SimXpert R3.2 MD Nastran R3b
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erstellt am: 30. Mai. 2006 19:04 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für refugee
Zitat: Original erstellt von JPietsch: Was hat das Ganze mit FEM zu tun?
... sehr viel. Wenn man sich mit der Theorie der nicht-linearen FEM beschäftigt, bekommt man es unweigerlich mit dem Deformationsgradienten, den Materialverdrehungen, usw. zu tun. Die Frage ist in diesem Forum schon richtig gestellt. Leider ist es nicht möglich eine einfache Antwort zu geben, da das ganze Thema fundierte mathematische Kenntnisse voraussetzt. Um ein gutes Buch und ein paar Monate Studium kommt man da einfach nicht herum. Bonet & Wood: "Nonlinear Continuum Mechanics for Finite Element Analysis", Belytschko, Liu & Moran: "Nonlinear Finite Elements for Continua and Structures" und Crisfield: "Non-linear Finite Element Analysis of Solids and Structures, Volume 1+2" sollten aber an jeder Universität zu finden sein. Der Deformationsgradient [F] bildet z.B. eine unverformte Materialfaser {dX} auf dieselbe Faser {dx} in der verformten Konfiguration ab, sodass gilt: {dx} = [F]{dX} Die Materialverdrehung (englisch: spin) ist der antisymmetrische Anteil des Geschwindigkeitsgradienten [l], und der wiederum ist nichts weiter als die zeitliche Ableitung von [F] multipliziert mit der Inversen von [F]: [l] = [F]^Punkt x [F]^-1 Freundliche Grüße, Martin Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
refugee Mitglied Student
 Beiträge: 3 Registriert: 30.05.2006
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erstellt am: 31. Mai. 2006 09:15 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:         
Vielen Dank für die Antwort und die Tipps! Ich habe die Fragen in diesem Forum gestellt, da ich vorher hier mehrfach sehr fundierte und gute Antworten gelesen habe, auch auf allgemeinere Fragen... Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Mustaine Ehrenmitglied V.I.P. h.c.
     
 Beiträge: 3585 Registriert: 04.08.2005 Abaqus
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erstellt am: 31. Mai. 2006 12:03 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für refugee
Wie schon richtig gesagt wurde, betreffen die letzten beiden Fragen die Kontinuumsmechanik. In dieser ist der Deformationsgradient sinngemäß ungefähr so beschrieben: Betrachtet man einen Körper als Punktmenge, so kann man zwei infinitesimal benachbarte Punkte durch einen Vektor X verbinden. Wird der Körper nun beliebig deformiert oder bewegt, ändert sich die Relativposition beider Punkte zueinander und der Vektor X erfährt eine Translation, Rotation und Streckung (bzw. Stauchung), wodurch die Verbindung beider Punkte jetzt durch den Vektor x beschrieben wird. Es gilt also: [x] = [F][X] Der Deformationsgradient [F] setzt sich dabei aus aus reinen Dehnungen und reinen Drehungen zusammen. Diese Vorgänge sind in ihrer Reihenfolge nicht beliebig und können durch polare Zerlegung getrennt werden. [F]=[R][U]=[V][R] [R] = reine Drehung [U] = reine Dehnung (Rechts-Streck-Tensor) [V] = reine Dehnung (Links-Streck-Tensor) Damit ist es möglich sich von Drehungen befreite Tensorprodukte zu ermitteln, welche reine Dehnungen beschreiben. [C]=[F]^T[F]=([R][U])^T[R][U]=[U]^T[R]^T[R][U]=[U]^T[1][U]=[U]^2 [B]=[F][F]^T=[V][R]([V][R])^T=[V][R][R]^T[V]^T =[V][1][V]^T=[V]^2 ^T heißt transponiert [C] = Rechts-Cauchy-Green-Tensor [B] = Links-Cauchy-Green-Tensor Aus [C] und [B] können dann z.B. Invarianten zur Charakterisierung von Materialien ermittelt werden. Weitere Details sagt dir ein Buch mit den Grundlagen der Kontinuumsmechanik. [Diese Nachricht wurde von Mustaine am 31. Mai. 2006 editiert.] Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Martin Stumvoll Mitglied Berechnungsingenieur
 
 Beiträge: 169 Registriert: 21.09.2005 MSC SimXpert R3.2 MD Nastran R3b
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erstellt am: 31. Mai. 2006 13:24 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für refugee
Dank der Erläuterungen von Mustaine lässt sich jetzt auch auf einfache Weise der Unterschied zwischen "kleinen" und "großen" Verformungen erklären: Sog. "kleine Verformungen" liegen genau dann vor, wenn die drei Eigenwerte des Rechts-Cauchy-Green-Tensors [C] alle ungefähr gleich 1 sind. Ist mindestens einer von ihnen deutlich kleiner oder größer als 1, hat man es mit "großen Verformungen" zu tun. Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
refugee Mitglied Student
 Beiträge: 3 Registriert: 30.05.2006
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erstellt am: 31. Mai. 2006 18:43 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:         
Es ist sehr hilfreich, diese Antworten zu lesen! Besonders den Übergang im Denken von "kleinen" zu "großen" Verformungen finde ich nicht einfach. Aber erst durch die Beschäftigung mit großen Verformungen verstehe ich nun Bereiche bei kleinen Verformungen, die man vorher behandelt hat. Annahmen, die man vorher als (zu) selbstverständlich hingenommen hat. Ich denke, dieser nicht-lineare Bereich ist präzise nur mathematisch zu beschreiben, aber sind folgende Aussagen richtig: ? - Bei "großen Verformungen" bezieht man sich (z.B. bei der Bestimmung von Spannungen im Material) im Gegensatz zu "kleinen" nicht auf den Ausgangszustand des Materials, sondern auf den aktuellen (deformierten). Das heißt, bei linearem Materialverhalten (kleine Verf.) gibt es (mathematisch) eigentlich nur einen Zustand - den Ausgangszustand. - Um bei großen Verformungen die auftrendende Dehnung zu beschreiben, ist es notwendig im Dehnungstensor zusätzlich zum linearen Anteil einen quadratischen Anteil zu berücksichtigen. (Oder was ändert sich sonst bei der Berechnung von Dehnungen?) Was ich bei der "Materialverdrehung" durch Scherung nicht ganz verstehe: Dort betrachtet man ja einen "Partikel" innerhalb des Kontinuums. Wenn ich das mit dem "Spin" richtig verstanden habe, verdreht sich der Materialpartikel um einen anderen Winkel als das Koordinatensystem, welches das abgescherte Kontiuum beschreibt. Aber wenn sich der einzelne Partikel "anders" verdreht, was passiert dann mit einem eingravierten Netz auf dem abgescherten System? Kann man sich so etwas VORSTELLEN oder kann man das nur rechnen? Danke für eure Mühe! Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Martin Stumvoll Mitglied Berechnungsingenieur
 
 Beiträge: 169 Registriert: 21.09.2005 MSC SimXpert R3.2 MD Nastran R3b
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erstellt am: 01. Jun. 2006 08:34 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für refugee
Zitat:
Bei "großen Verformungen" bezieht man sich (z.B. bei der Bestimmung von Spannungen im Material) im Gegensatz zu "kleinen" nicht auf den Ausgangszustand des Materials, sondern auf den aktuellen (deformierten).
Diese Aussage ist nicht richtig. Es gibt im Rahmen der Kontinuumsmechanik eine Vielzahl verschiedener Spannungstensoren, die sich auf den Ausgangszustand, den aktuellen, oder auf Mischformen davon beziehen. Da man sie alle ineinander umrechnen kann, verwendet man eben den, der im Moment gerade am praktischsten ist (und z.B. die einfachsten Formeln liefert). Bei "kleinen Verformungen" stimmen diese ganzen Tensoren aber zahlenmäßig miteinander überein, sodass man sich keine Gedanken machen muss, welchen man hernimmt. Zitat:
Das heißt, bei linearem Materialverhalten (kleine Verf.) gibt es (mathematisch) eigentlich nur einen Zustand - den Ausgangszustand.
Lineares und nichtlineares Materialverhalten, sowie "kleine" und "große" Verformungen sind zwei Paar Schuhe, die nichts miteinander zu tun haben. Du kannst in deinem Bauteil sehr kleine (elastische) Verzerrungen haben, aber trotzdem große Rotationen (Verdrehungen). Dann musst du die unterschiedlichen Zustände (Konfigurationen) unterscheiden. Zitat:
Um bei großen Verformungen die auftrendende Dehnung zu beschreiben, ist es notwendig im Dehnungstensor zusätzlich zum linearen Anteil einen quadratischen Anteil zu berücksichtigen.
Das ist richtig. Zitat:
Wenn ich das mit dem "Spin" richtig verstanden habe, verdreht sich der Materialpartikel um einen anderen Winkel als das Koordinatensystem, welches das abgescherte Kontiuum beschreibt. Aber wenn sich der einzelne Partikel "anders" verdreht, was passiert dann mit einem eingravierten Netz auf dem abgescherten System? Kann man sich so etwas VORSTELLEN oder kann man das nur rechnen?
Der Spin ist der antisymmetrische Anteil des Geschwindigkeits-Gradienten, der Deformations-Raten-Tensor sein symmetrischer Anteil. Die Dehnungen/Verzerrungen des Kontinuums stecken alle im Deformations-Raten-Tensor - und nicht im Spin. Der Spintensor ist - vereinfacht ausgedrückt - das Maß für die Starrkörperverdrehung der Partikel rund um den betrachteten Punkt. Das erkennt man sofort bei vernachlässigbar kleinen Verzerrungen oder Verzerrungs-Raten: Da ist der Spin [w] = [R]^Punkt x [R]^T nur noch eine Funktion des Rotations-Tensors. Nimm dir Zeit; die ganze Gebiet der Kontinuumsmechanik versteht man nicht einfach so von heute auf morgen. Freundliche Grüße, Martin
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