Hi Schlotti!
Sie haben vielleicht nur Pech gehabt und das falsche Unterforum erwischt, nebenan bei den Inventorianern, CATIAnern und auch den soliden Workern ist das Thema schon ein Begriff.
Gehen wir's daher mal durch.
Zunächst haben Sie die Konstrukteure, die nehmen eins ihrer Proggis her und legen los, meist auf der Basis eines mehr oder minder umfangreichen und brauchbaren Pflichtenhefts oder Aufgabenstellung.
Heute haben Sie vielerorts 3d-CAD, aber noch einen beträchtlichen Anteil an reinen 2d-Anwendern. Ich gehöre zu der Gruppe, wo die Papierzeichnung schon abgeschafft ist.
Die Konstrukteure wählen ihr CAD in der Regel nach schneller Erlernbarkeit und damit schneller Produktivität, dann soll's nicht zuviel kosten und wenn möglich die Altdaten auch übernehmen können, Lieferanten und Kunden mit ihren Datenformaten nicht zu vergessen.
Sehr häufig brauchen sie dazu auch neue Rechner.
Einzelkämpfer kommen mit den Windows-Bordmitteln in der Regel aus, um die Dateien zu organisieren, größere Gruppen arbeiten auf Server, hier muß man schon ein wenig mehr Organisationsarbeit aufwenden und wenn die Gruppen dann auch noch räumich verteilt sind, dann muß man sich überlegen, wie man die synchronisiert, das Internet ist hier u. U. schon viel zu langsam.
Nehmen wir als Beispiel den Inventor, hier bekommen Sie für 1 Teil eine Datei, für's CAM eine weitere, da meist SAT oder STEP weitergegeben wird, dann für die Zeichnung, wenn noch gemacht, die nächste Datei, auch der Zusammenbau ist wieder eine Datei, man hat es also sehr schnell mit einem Haufen Dateien zu tun.
Gefährlich wird das Ganze, wenn verschiedene Projekte zusammengeführt werden müssen und beispielsweise zwei Teile den gleichen Dateinamen haben, das merkt man erst, wenn es zu spät ist und kann man öfter auch nicht mehr so 08-15-einfach ändern, wenn die Datei zigmal referenziert wird.
Früher war der Konstrukteur fertig, wenn er seine Zeichnung ferig hatte, dann konnte die in die Fertigung gehen. Heute kann man sich diese serielle Arbeitsweise (zumindest bei mir) nicht mehr erlauben, hier geht es schon in die Maschine, wenn die ersten Teile festgenagelt sind, die Konstruktion also keineswegs vollständig steht.
Die Daten müssen also schnellstmöglich in die Maschine, hier bietet sich also ein CAM-Programm an, wer zu Fuß per ISO-Code programmiert, weiß was ich meine. Diese Programme setzen in der Regel immer auf einem CAD auf, der Anwender muß also auch auf dem CAD fit sein, sonst wird er die Möglichkeiten des CAM vor allem im Vorrichtungsbau nur recht begrenzt nutzen können.
Vielerorts nutzen Konstruktion und Fertigung unterschiedliche Plattformen, bei mir z. B. Inventor in der Konstruktion, aber Solidworks im CAM, hat sich historisch so ergeben, also müssen die Daten möglichst verlustfrei (Zeit, Qualität) in das CAM-System kommen können. Bei uns hier legen wir die SAT-Datei mit auf den Server, dort holt man sie sich dann für's CAM wieder ab.
Natürlich ist es schön, wenn die Parametrik im CAD auch das CNC-Programm mitzieht, man sollte da jedoch auch vorsichtig sein, schnell hat man ein zu kleines Materialstück oder ein Teil, das ein anderer Kunde irgendwann als Ersatzteil nochmal möchte, für ihn unbrauchbar gemacht.
Zunächst bringen Sie das Teil im CAM in die gewünschte Bearbeitungslage, das sollte möglichst einfach gehen, das 3d-CAD drunter entscheidet. Dann müssen die Spannmittel mit dazu, auch auf einen Werkzeug- und Prozessdatenkatalog (muß man oft selber machen) sollte man zugreifen könne, man hat nie alle Drehzahlen und Vorschübe im Kopf. Der Werkzeughalter muß auch dargestellt werden, sonst kann es passieren, daß man mit dem bei tieferliegenden Bearbeitungen aufs Werkstück kracht. Das muß das CAM erkennen und Bescheid sagen.
Nun setzen Sie Ihre Bearbeitungen Schritt für Schritt auf. Hier brauchen Sie oftmals Hilfsgeometrien, damit Sie den Fräser dorthin schicken können, wo sie ihn haben möchten, beim Drehen oder Erodieren auch nicht anders. Häufig arbeiten Sie mit einem großen Werkzeug vor und mit einem kleineren nach. Vernünftige Konstrukteure passen ein wenig auf, daß keine zu kleinen Radien vorkommen, leider nicht alle. Um nun nicht alles mit einem 1mm-Fräserchen bearbeiten zu müssen, sollt das CAM eine sog. Restmaterialbearbeitung bieten, damit können Sie ohne großen Aufwand diese Engstellen fertigbearbeiten.
Vor allem müssen Sie dann auch auf der Maschine und dem Verfahren fit sein, damit Sie die angebotetenen Bearbeitungsstrategien auch beurteilen und sinnvoll einsetzen können.
In der Regel werden Sie zwischen 2 und 50 solcher Bearbeitungen aufsetzen, bei mir dauert das Wählen der Geometrie und Setzen der Bearbeitungswerte im Schnitt 5 Minuten. Dann haben Sie sicher für jedes Werkstück mehrere Einspannungen, das kann man dann als Einzeldateien handhaben (mach ich) oder eben mehrere Koordinatensysteme definieren.
Nun wollen Sie sich das vorab mal anschauen, es müssen mehrere Simulationsverfahren vorhanden sein. Eines sollte Ihnen in den Orthogonalansichten die Fräserbahnen zeigen, damit können Sie schnell checken, ob Sie z. B. den Schraubstock oder das Drehfutter mitbearbeiten oder halbstündig in der Luft spazierenfahren. Dann noch eine saubere 3d-Grafik, damit Sie grobe Hunde sehen, wenn z. B. der Fräser mal quer durch's Material fährt.
Wieviele Achsen brauche ich für die Bearbeitung. Reichen beim Fräsen deren drei oder müssen es 5 sein? Simultan (also gleichzeitig) oder reicht indexieren (festsetzen der Drehachsen und dann normale 3-Achs-Bearbeitung)?
Als nächstes kommt dieses Rohprogramm in den sog. Postprozessor, der rechnet es passend für die jeweilige Maschine um und spuckt letztlich das CNC-Programm aus. Das schieben Sie entweder am Stück in die Maschine, wenn's reingeht (bei 2 1/2d) oder im DNC-Betrieb holt sich die Maschine das scheibchenweise, bei Flächen oft der Fall.
Aber halt, nicht START drücken, die Maschine muß auch wissen, wo Sie im CAM Ihre Nullpunkte gesetzt haben (z. B. G54), diese müssen Sie in der Regel an der Maschinensteuerun auch wieder eingeben, dann muß auch Ihr Werkzeugmagazin in der Maschine so bestückt sein, wie Sie es im CAM vorgesehen haben. Böse Fehlerquellen, denn die Maschinen prüfen das nicht, die sind wie ein Drucker, fahren blind drauf los.
So, und jetzt lassen Sie das erste Programm laufen, schön piano, es können immer noch Hunde drin sein. In der Regel werden Sie für das zweite und dritte Teil am Programm noch Optimierungen vornehmen. Das Editieren von Bearbeitungen muß also locker vonstatten gehen.
Öfter gibt es die Frage, wo man Werkzeugradien und Längen korrigiert, bei Verschleiß und engen Passungen unvermeidbar. Ich mache es im CAM, andere Leute in der Steuerung.
Was bringt das Ganze, im Normalfall eine beträchtlich sinkende Fehlerrate, wenn man direkt auf die CAD-Geometrie programmiert, bei uns hier fast 90% weniger gegenüber dem manuellen Programmieren an der Steuerung, weil Rechenfehler und Zahlendreher wegfallen.
Bei 3d kommt man um CAM ohnehin nicht herum, ich finde es auch für 2 1/2d eine feine Sache.
Wie verteilen sich die Leute. Die Konstrukteure hocken in den seltensten Fällen wie ich gleich neben der Maschine, meist in einem eigenen Konstruktionsbüro. Wenn man größere Serien fertigt, wird man sich einen eigenen Programmierbereich einrichten, bei Kleinserien wie bei mir macht das Programmieren der Maschinenbediener. Bei Großserie haben Sie dann Maschinenbediener mit entsprechend niedrigem Kenntnisstand.
Aber jetzt gibt es noch ein Problem, das hier war die sehr ernüchternde Praxis mit zig blauen Flecken. Was Ihr Prof hören oder lesen will, das weiß ich auch nicht, ich werde nur nach fertigen und brauchbaren Teilen bezahlt.
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