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Thema: Gratarmes Spritzgießen (9658 mal gelesen)
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Ocelot Mitglied Dipl-Ing. (BA) Maschinenbau
 
 Beiträge: 171 Registriert: 29.04.2006 HP z400 SW 2010 SP 5.0 AMI 2012 AMA 2012
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erstellt am: 19. Jul. 2010 13:44 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:         
Hallo zusammen, wie bei dem ein oder anderen von euch vielleicht auch, sind Spritzgrate und deren Vermeidung bei uns immer wieder ein großes Thema. Idealerweise wird die Trennung einfach so gelegt, dass Grate nicht stören. Doch hin und wieder ist dies nicht möglich und der Grat bleibt problematisch. Da momentan wieder ein Werkzeug für solch einen Artikel geplant ist, möchte ich gerne einmal in Runde fragen, ob und wenn ja welche Erfahrungen ihr bzgl. gratarmem Spritzgießen gemacht habt und welche Tipps, Tricks und Entwicklungen es gibt, um den Grat bereits werkzeugseitig zu minimieren. Bei meiner bisherigen Recherche und Gesprächen mit Fachleuten bin ich leider noch nicht auf DIE Lösung gestoßen. Eine entsprechende Präzision bei Werkzeugbau und -abstimmung und Maßnahmen wie großzügiges Freisparen der Kavität, Überschleifen der Trennebene nach dem Erodieren, etc.. möchte ich jetzt mal voraussetzen. Es gibt es ja auch eine zweite Vorgehensweise: Das Zulassen eines Grates und die Definition eines nachgeschalteten Bearbeitungsprozesses, der den Grat sicher entfernt; idealerweise ohne zusätzliche Beeinträchtigungen für das Spritzteil. Grundsätzlich ist das eine Kosten- bzw. Machbarkeitsfrage. Denn wenn ich mit viel Aufwand und hohen Kosten ein Werkzeug gebaut bekomme, das mir zunächst gratarme oder sogar nahezu gratfreie Teile liefert, unter Serienbedingungen aber extrem hohe Wartungskosten verursacht oder schließlich doch wieder eine Nachbearbeitung nötig macht, kann die zweite Option von Beginn an sinnvoller sein. Ich freue mich auf Eure Erfahrungen und Meinungen dazu. Viele Grüße Johannes Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
N.Lesch Ehrenmitglied V.I.P. h.c. Dipl. Ing.
     
 Beiträge: 5089 Registriert: 05.12.2005 WF 4
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erstellt am: 19. Jul. 2010 14:09 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
Also ich gehe mal von Thermoplasten aus. Grundsätzlich bildet sich ein Grat ab ca. 0,04 mm Spaltbreite. Bei PA ab der Hälfte und PBTP ist am schlimmsten. Einfachste Möglichkeit abzuhelfen ist weniger Einspritzdruck. Das entscheidet sich bei der Artikelkonstuktion. Den Anspritzpunkt an die günstigste Stelle legen kann auch viel bringen. Damit wäre ich aber schon wieder bei der Rheologie und bei Moldflow ( Cadmould gibt es auch noch ). Auch höhere Schließkraft und mehr Vorspannung bei Schiebern und Kernen kann helfen. Werkzeugtechnisch ist gegen Grat nicht viel zu machen. Ein Druckfühler kann auch helfen um rechtzeitig auf Nachdruck umzuschalten.
------------------ Klaus Solid Edge V 20 SP15 Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Thermoflasche Ehrenmitglied Konstrukteur
    
 Beiträge: 1732 Registriert: 08.10.2003 Unigraphics NX 2.0.6.2 / NX 4.0.4.2 Soliworks 2008 Moldflow 8.0
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erstellt am: 19. Jul. 2010 14:51 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
bei der Formtrennung ist es eher der Formtrennversatz der störend ist. Das hat IMHO  nicht viel mit Grat zu tun. Wir haben hier schon Trennungen hinbekommen, die kaum sichtbar noch fühlbar sind. Hat viel mit der Genauigkeit zu tun. In der Regel legen wir Trennverläufe jedoch nach Möglichkeit in nicht sichtbare oder funtkionsfähige Bereiche, da immer ein minimaler Versatz vorhanden sein wird ------------------ Gruß Thermo Take it easy, altes Haus, wer morgens länger schläft, hälts abends länger aus. [Diese Nachricht wurde von Thermoflasche am 19. Jul. 2010 editiert.] Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Hawkace Mitglied Konstrukteur
 
 Beiträge: 112 Registriert: 02.06.2004
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erstellt am: 21. Jul. 2010 07:35 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
Zitat: Original erstellt von Ocelot:
Es gibt es ja auch eine zweite Vorgehensweise: Das Zulassen eines Grates und die Definition eines nachgeschalteten Bearbeitungsprozesses, der den Grat [b]sicher entfernt; idealerweise ohne zusätzliche Beeinträchtigungen für das Spritzteil.[/B]
Das kenne ich jetzt nur von Druckguss. Das wird bei uns so gemacht. Um Flittergrat zu vermeiden wird einfach ein definiertes Gratblatt eingearbeitet und dann mit einem Stanzwerkzeug gestanzt. In Kunststoff ist das eher unüblich. Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Ocelot Mitglied Dipl-Ing. (BA) Maschinenbau
 
 Beiträge: 171 Registriert: 29.04.2006 HP z400 SW 2010 SP 5.0 AMI 2012 AMA 2012
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erstellt am: 21. Jul. 2010 13:24 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:         
Hallo zusammen, danke schon mal für eure Antworten! Ja, es handelt sich um Thermoplastspritzguss; das Material ist kohlefaserverstärktes PPS und von der Gratneigung her schon weit vorne mit dabei, es liegt jedenfalls über den meisten anderen Hochleistungskunststoffen, die wir verarbeiten. Bisher habe ich noch nichts zum Teil geschrieben, ihr könnt es euch wie einen ovalen Hut mit umlaufender "Krempe" vorstellen. Diese Krempe muss absolut gratfrei sein. Bestenfalls - wenn man längs oder quer trennt - hat man nur zwei Stellen mit Grat; andernfalls gibt es einen umlaufenden Grat. Jedoch sollte man bei letzterer Variante auf die Formtrennebene mehr Schließdruck bekommen als auf die zwei Scheiber und der Formaufbau würde sich vereinfachen. Von daher werden wir wohl beide Ansätze betrachten. Vor einiger Zeit las ich einen Artikel über die Gratproblematik in der Durplastverarbeitung, wo auch die Möglichkeit genannt wurde, die Trennebene lokal zu beheizen, um die Vernetzung zu beschleunigen und so Gratentstehung zu minimieren. Beim Thermoplastspritzgießen müsste demnach die Trennebene gekühlt werden, was allerdings angesichts der geringen Bauteilabmaße in diesem Fall (ca. 4 x 18 x 7 mm) nicht machbar ist. @ Hawkace: Da habe ich mich wohl etwas widersprüchlich ausgedrückt; ich meinte damit lediglich, das Werkzeug nicht speziell auf Gratfreiheit zu optimieren. In der Regel entsteht dann - zumindest bei PPS - an bewegten Werkzeugteilen einfach ein Grat, den es an ungünstigen Stellen wieder zu entfernen gilt. Viele Grüße Johannes Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
N.Lesch Ehrenmitglied V.I.P. h.c. Dipl. Ing.
     
 Beiträge: 5089 Registriert: 05.12.2005 WF 4
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erstellt am: 21. Jul. 2010 14:03 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
Eine Markierung an der Trennebene wird man immer sehen. Zumal bei PPS die Entlüftung noch wichtig ist. Da würde ich lieber den umlaufenden Grat in Kauf nehmen und nachträglich entgraten. ------------------ Klaus Solid Edge V 20 SP15 Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Megaron Mitglied Ingenieur
 
 Beiträge: 302 Registriert: 07.03.2002 Papier Bleistift
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erstellt am: 21. Jul. 2010 14:03 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
Zitat: Original erstellt von Ocelot: Vor einiger Zeit las ich einen Artikel über die Gratproblematik in der Durplastverarbeitung, wo auch die Möglichkeit genannt wurde, die Trennebene lokal zu beheizen, um die Vernetzung zu beschleunigen und so Gratentstehung zu minimieren. Beim Thermoplastspritzgießen müsste demnach die Trennebene gekühlt werden,
Ist das wirklich so? Einen Duroplast schneller zu vernetzen ist doch schon etwas anderes, als einen Thermoplast schneller einzufrieren, oder? Zumindest würde das bei so einem Krempen-Bauteil mit Sicherheit zu einem stark erhöhten Verzug führen, was beim Duroplast so nicht der Fall wäre. ------------------ Perfection is our goal. Excellence will be tolerated. Thank you for your understanding. Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Ocelot Mitglied Dipl-Ing. (BA) Maschinenbau
 
 Beiträge: 171 Registriert: 29.04.2006 HP z400 SW 2010 SP 5.0 AMI 2012 AMA 2012
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erstellt am: 22. Jul. 2010 13:10 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:         
Zitat: Original erstellt von Megaron: Ist das wirklich so? Einen Duroplast schneller zu vernetzen ist doch schon etwas anderes, als einen Thermoplast schneller einzufrieren, oder? Zumindest würde das bei so einem Krempen-Bauteil mit Sicherheit zu einem stark erhöhten Verzug führen, was beim Duroplast so nicht der Fall wäre.
Nun, das Ziel ist in beiden Fällen, die Viskosität der Schmelze beim Erreichen der Trennebene schnell zu erhöhen, so dass sie nicht mehr so tief in den Trennspalt eindringen kann. Prinzpiell sollte das wie angegeben funktionieren. Um innerhalb der Kavität ein Temperaturgefälle zu erreichen, sollte aber schon eine gewisse Bauteilgröße und Zykluszeit vorhanden sein, sonst stellt sich bald ein homogenes Temperaturniveau ein. Beide Faktoren sind bei dem vorliegenden Bauteil sehr klein, weshalb bei der Temperierung keine derartigen Sonderlösungen machbar sein dürften. Zitat: Original erstellt von N.Lesch: Da würde ich lieber den umlaufenden Grat in Kauf nehmen und nachträglich entgraten.
Ich denke darauf wird es hinauslaufen. Gerade vor dem Hintergrund einer prozesssichen Fertigung würde ich mit einem definierten Entrgratungsprozess auf Nummer sicher gehen. Dennoch: Wenn euch werkzeug- oder prozesstechnisch noch etwas einfallen sollte, das hinsichtlich der Gratentwicklung Vorteile bietet, würde mich das weiterhin interessieren. In der Kunststoffe gab es mal einen Artikel über das grat- und angussmarkierungsfreie Spritzen von Herzklappen. Die "Zutaten" waren hier die Bearbeitung von Kavität, Trennungen und Zentrierungen in einer Aufspannung mit einer Hochpräzisionsfräsmaschine - Ziel: max. 5 µm Formversatz, ein Kaltkanalangusssystem mit einer speziellen Abtrennung und die Vermeidung von Entlüftungsproblemen durch Evakuierung. Aber eben mit unverstärktem PA auch ein gutmütigerer Werkstoff... Viele Grüße Johannes Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
N.Lesch Ehrenmitglied V.I.P. h.c. Dipl. Ing.
     
 Beiträge: 5089 Registriert: 05.12.2005 WF 4
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erstellt am: 22. Jul. 2010 13:32 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
Also Duroplast und Thermoplast sind in der Beziehung total verschieden. Duroplaste und Gummi werden immer entgratet. Wenn Du genug Zeit, Geld und Geduld hast, kannst Du versuchen den Spritzgießvorgang und das Teil rechnerisch zu optimieren. Und zwar hinsichtlich niedriger Schließkraft, Einspritzdruck und Temperatur. Die niedrige Temperatur wg. der Entlüftung. Andernfalls würde ich die Trennung auf die Kante legen und die Teile danach in die Trommel stecken. "Trowalisieren" kenne ich zwar nur von Metallteilen, sollte aber bei PPS genauso gehen. ------------------ Klaus Solid Edge V 20 SP15 Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Franz 333 Mitglied Werkzeugmachermeister

 Beiträge: 37 Registriert: 31.03.2004 NX4.04.2 NX5.04.1 NX6.02.8
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erstellt am: 27. Aug. 2010 12:56 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
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N.Lesch Ehrenmitglied V.I.P. h.c. Dipl. Ing.
     
 Beiträge: 5089 Registriert: 05.12.2005 WF 4
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erstellt am: 23. Mrz. 2012 19:56 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
Weil ich gerade darauf gestossen bin: Die Höchst Nachfolger, die z.Z. Ticona heißen, bieten laut Campus Fortron 1140E7 mit " extremely low flash" an. ( PPS GF 40 ) Also sehr geringe Gratbildung. Es gibt da sicher noch andere Typen. ------------------ Klaus Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Gerhard Deeg Moderator Konstrukteur aus Leidenschaft
      

 Beiträge: 2643 Registriert: 17.12.2000 CREO - OSD - OSM HP XW4400 - XW4600 Dell Inspiron 17E NVIDIA QUADRO FX1500 NVIDIA Quadro FX1800 HP Mini 210 2002sg WIN 7 Ultimate 32/64
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erstellt am: 24. Mrz. 2012 10:15 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
Hallo Klaus, und wenn davon ein Teil auf den Boden fällt, hört man einen Ton, fast genauso wenn ein Alluminiumteil auf den Boden fällt. Ich war damals sehr überrascht über diese eingenen Ton des Fortrons. Gruss Gerhard ------------------ Jeder erfüllte Wunsch ist ein Traum weniger Träume sind die Sonnenstunden der Hoffnung Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
Ocelot Mitglied Dipl-Ing. (BA) Maschinenbau
 
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erstellt am: 24. Mrz. 2012 13:38 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:         
Interessant, werde ich mir mal anschauen, danke für die Info. Wir verarbeiten bisher hauptsächlich das 1140L4. Wenn die mechanischen Kennwerte des E7 mit dem L4 vergleichbar sind, wäre das in der Tat eine Überlegung wert. Grüße Johannes Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP |
MB-Seal Mitglied Geschäftsführer
 Beiträge: 1 Registriert: 31.01.2018
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erstellt am: 31. Jan. 2018 16:03 <-- editieren / zitieren --> Unities abgeben:          Nur für Ocelot
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