Hallo Forum,
ich hab da mal ein Anliegen und werde versuchen, es in kurzen Sätzen zu erläutern.
Wir setzen seit einiger Zeit in unserer Konstruktion (20 Arbeitsplätze) ein voll parametrisches 3D-CAD-System (SolidWorks) mit PLM ein. Firmenweites ERP-System ist SAP.
Unser bisheriges 2D-CAD-System (ME10) erlaubte bis jetzt im Prinzip jede Art der Darstellung von Baugruppen auf der Zeichnung, denn letztendlich sind es nur weiße Linien auf schwarzem Grund. Eine Baugruppe = eine Datei; welche und wieveile Einzelteile ich hineinzeichne, war unwesentlich.
Bei einem parametrischem, voll assziativem 3D-CAD-System sieht die ganze Sache anders aus. Da habe ich Referenzen zwischen den Dokumenten, die ich beim Aufbau berücksichtigen muß; will sagen: eine Baugruppe = eine Zeichnungsdatei + eine 3D-Baugruppendatei + X Einzelteildateien. Damit habe ich auch exakt die Struktur, die im PLM-System abgebildet wird, und welche dann dem Änderungs-bzw. Freigabewesen unterliegt.
Nun ist es nicht immer so, daß eine Stückliste auch eine zusammenhängende, komplett montierbare Baugruppe darstellt, welche ich im 3D-CAD problemlos erstellen könnte. Da habe ich zum Beispiel Elektrobauteile (Kabel, Steckdosen, Schalter, Stecker, Kabelbinder etc. ). Solche Bauteile werden in einer separaten Elektrostückliste aufgeführt, und als eine Position in der obersten (Konstruktionsstücklisten-)ebene aufgeführt. Jetzt kommt der Konstrukteur, und möchte in seiner Baugruppe mit der Nummer XYZ einen Schalter, das Relais, und noch ein, zwei Kabel darstellen, da er diese Teile als Störkontur in seiner Baugruppe benötigt.
Im 2D-CAD kein Problem. Die Abmaße werden besorgt, die Teile werden mit Zwei-Strich-Punktlinien fröhlich in die Zeichnung XYZ hineingezeichnet. Der Konstruktuer ist glücklich, er hat seine Störkontur. Der Monteur ist glücklich, er hat seine Infos, die er braucht, um erkennen zu können, wie er was einbauen muß. Nur die Struktur der Zeichnung stimmt nicht mehr, es sind Teile dargestellt, welche nicht in die Stückliste XYZ gehören, sondern in Stückliste 0815, 4711 und ABC. Stört niemanden, schließlich sind es nur Linien auf einer Zeichnung.
Im 3D-CAD mit nachgeschaltetem PLM sieht das ganze anders aus. Da habe ich plötzlich meine Elektroteile in der Struktur im PLM. Auf einmal haben sie eine Verwendung in der Baugruppe XYZ, wo sie stücklistentechnisch gar nicht hineingehören. Hat der Konstrukteur jetzt statt einiger Elektrobauteile ein Blechgehäuse verbaut, welches er als Störkontur in seiner Baugruppe benötigt, hat er sogar noch mehr unerwartete Phänomene: Auf einmal kann er seine Baurguppe nicht freigeben, weil das als Störkontur verbaute Blechgehäuse sich gerade bei einem Kollegen in Änderung befindet. Das betrifft ihn und seine Baugruppe XYZ zwar nicht im geringsten, dennoch hat er das Problem: Seine Baugruppe kann erst gefertigt werden, wenn sie freigeben ist, und schon wächst der Frustfaktor. CAD-seitig kommt er ebenfalls in Bedrängnis: das Blech, welches er als Störkontur verbaut hat, stammt stücklistentechnisch aus einer Baugruppenebene etwas höher. Verbaut er nun das CAD-Modell seiner BaugruppeXYZ in der übergeordneten Baugruppe YZ, hat er auf einmal zwei Gehäuse: das, welches korrekterweise in YZ verbaut ist, und das, welches noch aus seiner Unterbaugruppe stammt.
Daher stellt sich nun die Frage, wo setzt man mit seiner Lösungsstrategie an? Offensichtlich passen die Stücklistenstrukturen nicht zu einem voll assoziativen 3D-CAD-System; die Stücklisten wurden in den letzten 40 Jahren so aufgebaut, und bis heute sind alle sehr zufrieden damit gefahren. Man konnte hinzufügen und entfernen was man wollte, es ließ sich schließlich alles problemlos auf der Zeichnung darstellen. Elektroteile, Umbausätze für Maschine A, B, X..., Optionen für die und die Maschine. Zeichnungen im 3D-Modell werden allerdings zu einer echten kreativen Herausforderung: wie stellt der Konstrukteur eine Stückliste dar, in welcher nur Einzelteile aufgeführt sind? Ein Umbausatz beispielsweise, welcher aus einem Manometer, einer Pumpe, drei Schrauben, zwei Schläuchen, einem Deckel besteht? Das wäre eine Baugruppe, welche ohne "Korpus" existieren müßte.
Letztendlich kommt man zu folgendem Schluß: entweder das CAD-System ist für diese Zwecke untauglich, man hätte sich für eines entscheiden sollen, welches NICHT assoziativ wäre, KEINE Strukturen hätte. Dann wäre man allerdings wieder da, wo man vorher auch schon war: Im strukturlosem 2D-System. Geänderte Einzelteile werdne nicht auf allen Zeichngunen mitgeändert, die Zeit spart man sich. Ergo, nicht aktuelle Zeichngunen werden ausgegeben, Teile werden falsch gefertigt, Baugruppen falsch montiert. Kommt nicht häfug vor, aber es kommt vor. Allerdings hätte man dann alle Flexibilität der Welt, könnte schalten und walten wie beliebt.
Oder: Die alten Zöpfe werden abgeschnitten. Die Stücklistenstruktur muß geändert werden. Keine Stücklisten mehr, wie der Vertrieb sie seit annodazumal gerne hätte, mit all seinen Optionen und Varianten, mit all seinen Minusteilen und Elektrostücklisten.
Oder: Trennung der SAP-Stückliste von der CAD-Stückliste; Aufhebung des Zwangs, die SAP-Stückliste im CAD darzustellen. Dazu müßte wohl eine Strukturkopplung her, verschiedenen Nummernkreisen im SAP und im CAD.
Wie seht ihr die Sache, kennt ihr solche "Herausforderungen"? Welche Ansätze gibt es da, welche Lösungen, welche Strategien?
Gruß,
PLMKrieger
Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP