CAD-CAM und papierlose Fertigung ist bei mir schon älter, so 2000-2005 fuhr man es ein und stellte auch so manches Ungemach fest. Das Problem war einfach, bei selbst konstruierten Teilen erforderte eine normgerechte Zeichnung einen erheblichen Zeitaufwand und erwies sich bei ihrer Interpretation dann doch als nicht unerhebliche Fehlerquelle. Bei Fremdzeichnungen störte es zudem, sich zuerst mit einem Satz Markerstifte bewaffnen zu müssen, auf überfüllten A0-Blättern Relevantes zu suchen und farblich hervorzuheben.
Damals kamen die 3d-CAMs vor allem für das Fräsen gerade auf. Verlockend, auf die Zeichnung verzichten zu können und vor allem aufwendigere Konturen einfach abklicken statt mühsam in G-Code Konturzug für Konturzug umsetzen zu müssen.
Das erste CAM war noch Stand-Alone, bekam die Daten als Neutralformat, arbeitete noch im Drahtmodell. Schnell wurde klar, wenn ein mit CAM programmiertes Teil später flott wieder zu fertigen sein sollte, brauchte es den Rüstplan, wie wird gespannt, wo ist der Nullpunkt, wie die Achsenlage. Das rudimentäre CAD unter dem CAM konnte offiziell nur das Werkstück, inoffiziell aber auch den Schraubstock.
Bei mir war das Neutralformat damals SAT, also das ACIS-Format. Auch das Format kann keine Toleranzen, keine Passungen und Gewinde oder Form- und Lagetoleranzen. Das mußte also auf anderem Wege rüber. Bei Gewinde war es einfach, die Bohrungen bekamen Kernmaße, die sonst nicht vorkamen, die zahllosen Toleranzen wurden eingedampft, denn die CNC-Maschinen machten eine Grundgenauigkeit. Wenn man beim Ein- oder Umspannen keine groben Fehler machte, konnten die Toleranzen also ohne Wirtschaftlichkeitsverlust enger gehalten werden, es gab also nur noch eine Freimaßtoleranz.
Alles, was genauer werden mußte, bekam Farbcodes. Die gingen zum Glück bei SAT damals schon mit. Gefährlich waren kleine Radien oder Fasen, man mußte nahe heranzoomen, um nicht versehentlich die falsche Kontur anzuwählen. Also – weg damit, denn das CAM konnte sowieso fasen, eine Standardfase. Und alles andere wurde wieder eingefärbt.
Das mit den Minifasen wurde auch so manchem Konstrukteur zum Verhängnis, er wählte zum Bemaßen die Linie und die war nun mal um die 1 oder 2 Fasen kürzer… Sowas merkt später auch die QS nicht, wenn die zeichnungsbasiert kontrolliert. Es ist also wichtig, daß der CAMler die Konturen direkt nutzen kann und nicht jedesmal – sofern das CAM das überhaupt unterstützt – Offsets eingeben muß.
Damit die Modellmaßé brauchbar waren, mußten sie auf Mitte Toleranz. Also z. B. nicht 10 -0 – 0.1 sondern 9.95 +- 0.05. Anfangs etwas ungewohnt beim Konstruieren, wir reden hier über die Zeit vor 2005, meine CADs konnten keine automatische Modellanpassung. Und bei Passungen mit Buchstaben waren ohnehin Sonderverfahren nötig, also Prozessabläufe. Daher hier wieder Nennmaß, dann wußte man, daß man die 12mm-H7-Reibahle braucht und ohnehin auf Untermaß vorarbeiten. Und – Farbcode.
Aber das alles hatte einen riesigen Nachteil, denn bei Varianten oder Revisionen gab man ein neues Neutralformatteil ins CAM rüber. Alle angeklickten Geometrien hingen aber noch am alten Teil. Tauschte man das also aus, verlor man alle Geometriezuweisungen und nicht nur die geänderten. Meist murkste man also, ließ das alte Teil drin und legte das neue drüber.
Den Nachteil hat man heute auch noch, wenn man STEP als Zwischenformat nutzt.
Damals kam mein CAM mit der eher wenig beworbenen Fähigkeit, maßliche Modelländerungen mitmachen zu können. Das CAM lief jetzt direkt im CAD. Waren CAD und CAM räumlich getrennt, mußten beide Orte also CAD und CAM haben. Vorteil war die jetzt viel bessere schattierte Darstellung für die Rüstsituation auf der Maschine.
Für Varianten nur die Parameter ändern, das reichte nicht, denn fünfmal ändern und dann wieder Ursprungswerte, schon waren Bohrungen nicht mehr links einer Arbeitsebene, sondern rechts davon. Zudem änderte ich mal was an einem Spannmittel, was dem CAD-CAM entschieden missfiel, ich hatte damals noch die Spannmittel in einem zentralen Verzeichnis. Und an so einem oft genutzten Spannmittel hatte man geändert. Mehr als 80 programmierte Teile waren nicht mehr zu retten.
Zum zentralen Dreh- und Angelpunkt entwickelte sich die Konstruktionskopie, man mußte solche Dateiverbünde am Stück einschließlich Spannmittel kopieren können. PDMs scheiterten daran und auch im Betrieb unser neues Profi-PDM kann es auch nicht. CAD grade noch.
Hier half – die Natur. Im Frühjahr kam eine prachtvolle Hornissenkönigin (Vespa Crabro Germana Royal XXL in gelb-schwarz) auf schon zu langer Nistplatzsuche ins Arbeitszimmer eingeflogen, sichtlich desillusioniert. Also Fenster auf, dann fliegt sie wieder raus. Tat sie nicht, verweilte sichtlich hingerissen vor den Wandpostern, erkannte trotz arttypischer Sehschwäche den kulturhistorischen Wert, mußte sich total überwältigt hinsetzen und es war unschwer zu erahnen, worüber sie nachdachte.
Da gab es aber nichts nachzudenken, denn das war nun wirklich ein sonnenklarer Fall. Man knatsche sich mit einem unhöflichen Berufsstand und die Tiere brachten alle nötigen Sonderrechte mit und würden – und taten das auch – den Unhöflichen den beruflichen Alltag mal so abwechslungsreich gestalten, daß man das so schnell nicht mehr vergisst.
Verhält man sich korrekt den Tieren gegenüber, geben sie sich spätestens nach 2 Wochen handzahm, man muß aber einiges umbauen, damit das Zusammenleben klappt. Vor allem in Wohn- und Arbeitsräumen unter das Nest einen großen (>50cm) Topfuntersetzer stellen und Katzenstreu da drin täglich wechseln, sonst mieft es enorm. Aufpassen, da können tote Tiere drin sein, die doch noch stechen können und wenn die anderen das riechen, gehen sie davon aus, daß das seine Richtigkeit hat – und machen es nach.
Das Gefühl sagte, daß da keine 2m neben mir – und weniger Abstand sollte es nicht sein – die Problemlösung war, denn die konnten Konstruktionskopie und Orga, auch ohne Vergrößerungsglas unübersehbar. Also lag es nahe, sich das näher aus der Nähe anzusehen. Es dauerte, bis man begriff, wie das ohne Teilenummern und Dateipfade gehen konnte.
Hornissen im Haus sollte man nur machen, wenn man schon Erfahrung mit den Tieren hat und die Verhaltensregeln (niemals draufhauen) intus hat. Ansonsten eben eine Videokamera mit Zoomfunktion, 5-10m Abstand sind gesund. Unter das Einflugloch einen Spiegel unter 45 Grad hinstellen, damit man von unten ein wenig reinschauen kann, die Musik spielt ohnehin immer in der Nähe des Einflugloches.
Fakt war, jetzt konnte man so einen Datenverbund am Stück über die Zwischenablage kopieren, beliebig herumschieben, die Daten wurden trotz Namensgleichheit zuverlässig gefunden. Auch bei Inventor verlor die Projektverwaltung mit Projektdatei jeglichen Schrecken, Solidworks war ohnehin problemloser.
Also kopieren (CTRL-C, CTRL-V), dann passend umbenennen, was auch nachträglich keinen Ärger gibt. Dann rein ins CAD, bei Varianten Parameter ändern und alles aktualisieren, dabei braucht es sicher die eine oder andere Retusche. Ebenso bei den ganzen Sekundärkonstruktionen wie Rüstpläne und Individualspannmitteln. Jetzt ins CAM, das alles nachziehen lassen und nacharbeiten, wo es mault.
Man kann durchaus – wenn es ein Familienteil ist, das alte Teil durch das neue erstetzen, die Flächenreferenzen müssen halt stimmen.
Das heisst auch, daß der CAMler fortan das CAD genausogut drauf haben muß wie ein Konstrukteur. Denn vielfach wird er sich auch Hilfsgeometrien machen müssen.
Dann Simu und Postprozessor. Da diese Simu vor dem Postprozessor ist, schadet es bei teureren Maschinen nicht, auch den Code simulieren zu lassen. Da man den Maschinentraum nachgebaut hat mit allen Spannmitteln, werden auch Crashs zwischen Spannmitteln gefunden. Bevor es kracht und teuer wird.
Das Spiel trieb man weiter, parametrisierte ganze Baugruppen mit Tabellenkalkulation. Und konnte so auch hier das CAM beim Kopieren für Varianten unbeschadet mitnehmen.
Der Weg über STEP killt einem also diesen Vorteil. Zudem gibt es bei STEP mehrere Dialekte, für Maschinenbau sollte man aktuell die Version 214 nehmen. Schauen, was das System an Farben und Texturen mit ausgeben kann und was davon im CAM noch ankommt. Wenn man also auf den nativen CAD-Daten arbeitet, hat man alle Infos.
Welche STEP-Version eine Datei hat, kann man im Verdachtsfalle auch mit Word oder einem Texteditor nachschauen, es steht gleich ganz oben in den ersten Zeilen, da steht entweder was mit 203, 214, oder eine höhere Zahl, irgendwas mit 233 oder 242.
STEP ist zudem ein Interpreterformat, der eine exportiert es , der andere importiert es. Sich drauf verlassen, daß das ankommt, was man losgeschickt hat.? Was wenn für 100tsd Euro dann ein Folgeschnittwerkzeug falsch ist?
Und es gibt noch ein Problem, das Teil ist jetzt fertig und geht in die Qualitätssicherung. Die muß ebenso wie der Maschinist vorher wissen, welche Toleranzen, vor allem Form- und Lage, zu prüfen sind und zudem sind die zu dokumentieren. Es ist also nicht schlecht, eine abgespeckte Zeichnung in 2d zu machen, wo man alle Freimaße rausläßt und nur die Infos reinschreibt, die das 3d-Format nicht mit rüberbringt und die Aussenabmessungen des Teils, hier kann man also durchaus auch das Thema Passungen und Gewinde erschlagen. Dann hat der CAMler eben die Zeichnung auch offen auf einem zweiten Monitor. Und was die QS dokumentieren soll, kann auch rein.
Das lief dann auch im Betrieb eine ganze Weile so, auch Zulieferer sprangen auf den Zug auf. War sehr praktisch, wenn die nur noch die originalen CAD-Daten brauchten oder man ihnen – wenn sie dasselbe CAD-CAM hatten – gleich alles einschließlich Fertigungsstrategie mit rübergeben konnte. Bei mir waren immer alle Daten einschließlich Spannmittel und Werkzeuge und Prozessdatenbank mit in der Hornissendatei und referenzierten so auch die Daten, die sie referenzieren sollten.
Dann kamen – die neuen PDMler, die traf fast der Schlag, denn es war doch bekannt, daß man ohne normgerechte Zeichnung kein korrektes Teil fertigen kann. Und mein Rechner war auch schon über 15 Jahre alt – und aus deren Sicht veraltet.
Die schicke CAD-CAM-Verbindung zerschossen die binnen weniger Stunden irreparabel, daß das neue PDM mit dem CAM klarkommt, da gehe ich wohl vorher in Rente. Und deren Konstruktionskopie dauert 10-100mal länger als das, was die stattlichen Tierchen mir da zeigten,.
So eine direkte CAD-CAM-Schiene hilft also durchaus, enorm Zeit zu sparen und die Fehlerrate zu reduzieren. Gerade für die Entwicklungsphase sehr schick. Es braucht für die Konstrukteure, die im Regelfall keine CAMler sind, eine Konstruktionsrichtlinie. Ziel sollte – auch wenn es zerbrechtlicher ist – sein, daß das Konstrukteure und CAMler dasselbe CAD als Basis nutzen und man mit den nativen und eben nicht mit Neutralformaten arbeitet.
PDM und ERP habe ich in meiner eigenen kleinen Firma nicht, weil ich im Hauptjob (ERP > 24 Jahre) täglich damit arbeite.
Normen stammen aus der 2d-Zeit, es gibt oft Interpretationsprobleme, beispielsweise bei Form- und Lagetoleranzen. Wenn man das Toleranzsystem ohnehin überarbeiten (und verschlanken) muß, kann man solche Sachen auch gleich mitmachen.
Und das ist auch alles keine statische Sache, man entwickelt es, läßt es wachsen. Auch ich habe viele Bruchlandungen (nennt man später Erfahrung) hingelegt. Zum Glück aber die Technik der Tierchen gehabt, mit der nichts passiert, wenn mal was schief geht. Generell arbeite ich normalerweise nur auf Kopien von Daten und mache die ggf. zu Originalen. Im Job mit PDM ist das anders und schon einige Male gegen die Wand.
Es ist also enorm wichtig, eine leistungsfähige Konstruktionskopie zu haben, schön mit der Zwischenablage am Stück gehen, was nebenbei auch viel schneller ist als im PDM. Wenn die PDMler sagen, daß das nicht ginge, dann sagen Sie denen einen schönen Gruß, das machen die Hornissen schon seit 50 Mio Jahren so. Und – leben noch. Ob die Firma der PDMler das auch schafft?
Für meinen Teil war ich im Vorteil, als Musterbauer war ich sowohl Konstrukteur als auch Teilefertiger. Es sollte federführend also ein Kollege sein, der sowohl die Konstruktion als auch die Fertigung und die QS gut kennt und mit allen gut kann.
Dann mal – viel Vergnügen.
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