Ich habe seit seit über 15 Jahren nicht mehr mit Schwenkbiegemaschinen gearbeitet, mal sehen, was ich aus'm Stegreif noch zusammenkriege.
Die Sache mit dem Handling ist, je nach Teilen, ein ganz klares Plus.
Das Blech bleibt i.d.R. eben auf seiner Hauptfläche liegen und muss vom Bediener nur auf dem Maschinentisch (meist sogar mit Kugelrollen bestückt) gedreht werden. Die Abkantbewegung führt die Biegewange aus, die an der Vorderseite der Maschinen um den Biegewinkel nach oben schwenkt und dabei das zwischen Ober- und Unterwange geklemmte Blech biegt.
Anstatt, wie bei Gesenkbiegepressen, die Matrizenweite an die Blechdicke anzupassen wird hier die Biegewange verstellt, so dass sich der Radius ändert, den sie um den Drehpunkt beschreibt.
Da die Biegewange immer einen größeren Radius beschreiben muss als den des Bleches, kommt es entgegen vielverbreiteter Aussagen sehr wohl zu einer Scheuerbewegung am Werkstück.
Die auf schlauen Webseiten unscharf abgebildeten, angeblich kratzerfrei schwenkgebogenen Edelstahlbleche sind stepgekantet, bei dieser Methode lassen sich auch auf der Gesenkbiegepresse Kratzer vermeiden.
Womit die Schwenkbiegetechnik nicht punkten kann ist die Geschwindigkeit, und gerade die ist in der heutigen Zeit oft das Maß aller Dinge.
Hier findet, verglichen mit dem Biegen im Gesenk, immer ein zusätzlicher Vorgang statt: Das Klemmen des Bleches.
Danach kommt die im Vergleich zum Hub der Gesenkbiegepresse relativ große und zeitlich lange Bewegung der Biegewange. Das Blech kann erst dann zur nächsten Kantung gedreht werden, wenn die Biegewange wieder in ihre Ausgangslage zurückgeschwenkt ist und die Oberwange die Klemmung gelöst hat.
Ebenso leidet durch den konstruktiven Aufbau die Flexibilität, auch wenn jetzt einige sagen werden, nö, durch Segmentierung der Werkzeuge ist das Schwenkbiegen ebenso flexibel wie das Gesenkbiegen.
Einfach mal so mitten aus einem Blech eine Lasche herauszubiegen ist mit vertretbarem Aufwand bei einer Schwenkbiegemaschine nicht zu machen.
Bei allseitig erst nach oben und dann nach außen gekanteten Kisten wandelt sich der Handlingvorteil sogar ins Gegenteil um:
Bei der Gesenkbiegepresse lassen sich sehr bequem durch Drehen des Werkstücks erst alle Außenkantungen biegen, dann durch einmaliges Wenden und - pro Kantung je eine weitere Drehung - die restlich Kantungen.
Beim Schwenkbiegen ist mir schon die Beschreibung zu aufwendig
Von Teilen wie diesen ganz zu schweigen
Auch sind Umformungen wie Kiemen, Durchzüge, Laschen, Brücken etc. ein großer Störfaktor, sie können beim Klemmen durch Ober- und Unterwange plattgedrückt werden.
Alles in allem denke ich, dass die Vorteile der Gesenkbiegepressen deutlich überwiegen, was sich auch an der weit größeren Verbreitung zeigt.
Nichtsdestotrotz gibt es natürlich Anwender, deren Teilespektrum ganz klar für die Schwenkbiegemaschine spricht.
Für interessierte hier ein Herstellervideo
Als High-End-Maschinen gibt seit mehr als 20 Jahren eine vollautomatisierte Variante, Biegezentrum genannt (wer hätt's gedacht )
Diese Maschinen können, neben automatischem Werkzeugwechsel, unschlagbar schnell und vor allem wirklich abdruckfrei biegen, da der Drehpunkt der Biegewange der Blechdicke entsprechend verlagert wird. Andere Hersteller beschreiben mit der Biegewange genau den Weg, den auch das Blech am Anlagepunkt der Wange zurücklegt. Desweiteren können sie in kleinsten Schritten mit der Steptechnik sehr schnell Radien kanten, wie in diesem Video gut zu sehen ist.
Die einzelnen Steps sind nur bei sehr genauem Hinsehen aus nächster Nähe zu erkennen.
Hier sieht man auch den automatischen Werzeugwechsel und die sich anpassenden Endstücke, wie sie bei Schachtelteilen eingesetzt werden.
Angeblich sind die Steuerungen dieser Biegezentren trotz z.T. über zehn gesteuerten Achsen so genial einfach zu programmieren, dass Losgröße 1 kein Problem darstellt. Die Programmierung hab ich zwar noch nicht mit eigenen Augen gesehen, dies wurde mir aber schon vor Jahren nicht von Vertretern, sondern von Maschinenbedienern gesagt.
Allerdings sind diese Biegezentren in einer Preisklasse angesiedelt, die sie nicht für die breite Masse lohnend erscheinen lässt.
Grüße
Hofe
Edit: Bilderlinks korrigiert
------------------
So ungenau wie möglich und so genau wie nötig
[Diese Nachricht wurde von Hofe am 25. Nov. 2008 editiert.]
Eine Antwort auf diesen Beitrag verfassen (mit Zitat/Zitat des Beitrags) IP